Tobrien

Tobrien 1 (Cyruion) (5NT 1013)

Ein weiteres Mal blickte der Bergadler für einen Augenblick zurück, um sich ausbleibender Gefahr durch Blaufalken und ähnliche Feinde zu vergewissern. Das Federkleid des Tiers erschien selbst im Licht der aufgehenden Sonne eher matt denn glänzend und wenn ein genauerer Blick erhascht werden konnte, schienen die Flügel unter der Anstrengung einer mehrstündigen Etappe gen Warunk zu zittern. Obgleich keine Schweißperlen über die gefiederte Stirn liefen, das Tier segelte vorrangig und versuchte weitere Flügelschläge weitestgehend zu vermeiden.

Cyruion war mit seinen Kräften am Ende und konnte nur erahnen, wie es seinen Gefährten möglicherweise ging. Sie waren vielleicht tot, niedergestreckt von einer Feuersbrunst, kaum dass er sich in die Lüfte aufgeschwungen hatte. Angefangen hatte alles vor einigen Praiosläufen als sie die Trollzacken, einen Ogerangriff wie Geländerutsch gerade so überlebt und wieder zusammengefunden hatten. In der schwülen, beinahe schon unangenehmen Hitze des Rahjamondes setzten sie ihren Weg fort. Eines Abends bemerkte die Reisegruppe, dass der Himmel sich rötlich, fast schon übertrieben blutrot eingefärbt hatte und das Firmament klar war, wie nur einmal im Götterlauf. Sie waren inmitten der Wildnis in die Namenlosen Tage geraten, jene Zeit, in der sich die meisten Menschen in ihren Häusern verschanzten und die Straßen selbst in Gareth stets leerer gewirkt hatten.

Der Auelf erschauderte bei dem Gedanken jedes Mal wieder, denn nicht nur, dass er das Dunkle nicht besonders mochte, in diesen fünf Tagen war die Dunkelheit bedrohlich wie sonst nie, alles angetrieben vom Einfluss dessen, was für den Untergang der Kultur seiner Vorfahren verantwortlich war. Leise atmete er durch. Nicht aus der Fassung bringen lassen.

Wenige Zeit später riss ein Blitz den Elfenmagier aus seinen Gedanken und kurze Zeit später traf die berittene Gruppe um Garion einen am Boden befindlichen Reiter und sein Pferd. Die Sichtung des Geschehens ergab schnell, dass der unbekannte Reiter ein Geweihter des Götterfürsten gewesen und offenbar in einen Kampf verwickelt gewesen war. Verschlüsselte Nachrichten, Tand und eine undefinierbare, große magische Macht, die  offenbar von einer Statuette ausging, fanden sich in den Taschen des Mannes wieder. Dann wurden sie angegriffen, noch an Ort und Stelle, von Kultisten des Namenlosen und weiteren Schergen der Schlechtigkeit.

Unnötigerweise zusätzlich, trotz Verwundung oder gerade deshalb, gejagt und getrieben von Hetzern, die die Gruppe immer in eine bestimmte Richtung zu lenken schien, ohne dass dies zunächst zu erkennen war. Besonders absonderlich war jedoch ein Dorf, Salwynsfelden, dachte der Elf, das sie nach einigen Tagen erreicht hatten. Natürlich waren sie nicht Willkommen, alleine der Umstand, dass sie ein Spitzohr dabei hatten verschärfte die Situation. Genauso wie die Geburt eines Kalbes mit zwei Köpfen, der einen wütenden Mob aufziehen ließ und die vom Rondra-Geweihten angeführte Gruppe weiterziehen ließ. Ungeachtet dessen, dass die drückende Hitze mit jedem Tag schlimmer wurde.

Zumindest, wenn es nicht gerade Merkwürdigkeiten waren, die die Aufmerksamkeit auf sich zog. Denn wer hätte erwartet, dass an einem Sommertag plötzlich Eiseskälte vorherrschte, Nebel aufzog? Doch der Verstand wusste es zuzuordnen, denn überall dort machte das Wetter Firun vermeintlich alle Ehre, wo sich die Kreaturen des Dhaza aufhielten, wie die Hetzer, die sich nach und nach verstofflichten und wahrscheinlich am letzten Tag des Namenlosen zu ihrer vollen Kraft kommen und der Gruppe das Leben schwermachen würden. Noch waren sie nicht besonders gefährlich. Auf der anderen Seite war für den Elfen auch ein altes Kloster der Gütigen, Peraine, recht befremdlich. Er hatte es jedenfalls noch nicht gesehen, dass weibliche Geistergestalten mit Ghulen tanzen. Wenn er obskures sehen wollte, sollte er in den Tagen des Namenlosen des Öfteren vor die Türe, auch wenn immer die Frage nach der Gefahr bleibt und ob es das wert ist. 

Am wahrscheinlich dritten oder vierten Tag, was er schon nicht mehr recht zuordnen konnte ob der wirren Geschehnisse, als jeder Regentropfen weiter ein Segen gewesen wäre, passierten sie einen reichlich unheimlichen Boronanger, trafen wenig später auf eine Gauklertruppe mit ihren Wagen. Darunter befand sich auch Wilbur, ein alter Freund des Rondra-Geweihten aus Andergast, der seine Familie offenbar vor längerer Zeit verlassen hatte. Doch nicht alles am Zusammentreffen mit den Gauklern zog Positives nach sich. Schon bei der ersten Begegnung hatte eine Gauklerin versucht, den Elfen um einen Teil seiner Habe zu erleichtern. Abgesehen davon vergnügten sie sich jedoch rege in der illustren Runde und der Elf war sehr zufrieden, dass ihm eine Gauklerin recht schnell einen Schlafplatz bei sich feilbot. Endlich wieder in einem Bett schlafen. Womit er nicht gerechnet hatte war, dass das Schlimmste noch bevorstand an diesem Abend. Denn kaum, dass sie mit den Vagabunden gespeist und getrunken hatten, legte sich Müdigkeit über die Freunde des Elfen und ihn. So viel zum gemütlichen Schlafplatz. Waren sie vergiftet worden?

Dunkel.

Die Nacht war bereits über Dere und Tobrien hereingebrochen als der elfische Zauberer aus Donnerbach erwachte. Die Gauklerinnen waren fort, zumindest jene, die sich noch mit William vergnügen wollten. Doch der Pirat und der Heiler, Vitus, waren im Wagen. Ansonsten herrschte befremdliche Stille. Rasch, aber vorsichtig sah sich der Elf um und musste mit Erschrecken feststellen, dass das Feuer erloschen war und die Gaukler offenbar aufgebrochen waren. Zwei Wagen hatten sie zurückgelassen…

…und die Statuette war fort, wie auch alle Pferde bis auf zwei. Dieses offenbar mächtige, magische Artefakt, es war fort. Jenes, weshalb sie von Namenloskultisten angegriffen worden waren und für das ein Diener des Götterfürsten sein Leben gelassen hatte. Cyruion zog die Brauen zusammen und sah nach den Gefährten. Während er Garion und Tarambosch schnell erreichte und wecken konnte, schlugen sämtliche Versuche bei William und Vitus in diese Richtung fehl.

Sie wachten nicht auf. Doch, lebten sie überhaupt noch oder träumten sie selbst?

Obgleich die schiere Dunkelheit Unbehagen beim Elfen auslöste, versuchte er sich für einen BLICK IN DIE GEDANKEN zu konzentrieren. Auf diese Weise ließ sich zumindest herausfinden, ob Vitus nur ein Abbild des Heilers war und ansonsten so lebendig wie ein Stein oder ob er der Heiler war, der fest schlief, träumte. Zum Glück des Elfen gelang der Zauber und er konnte den Heiler aus seinen märchenhaften Träumereien reißen, während sich Garion und Tarambosch auf rabiatere Weise um William kümmerten.

Anschließend machten sie sich auf, die Gaukler auf den übrigen zwei Pferden und dem Pony des Angroschim zu verfolgen, unter Einsatz ihrer, mehr oder minder vorhanden, Kenntnisse im Umgang mit der Natur. Sie waren in diesem Moment die Hetzer, die jagten und etwas trieben, zumindest bis sie unweit eines Baumes innehielten, der auf den Elfen obskur wirkte. Denn die Äste waren übersät von Nachtwinden, jenen Vögeln, die Magie etwa so sehr verabscheuen wie die Angroschim Drachen. Nachdem eine Eule am Baum vorbeigezogen und angegriffen worden war, folgten alle bis auf Cyruion und Vitus dem Kampf zwischen Eule und Nachtwind. Denn die Eule könnte schließlich, wenn sie angegriffen wurde, ein Elf sein und unter der Wirkung eines ADLERSCHWINGE stehen.

Aus der Ferne konnte Cyruion vernehmen, wie insbesondere Garion und Tarambosch schnellen Prozess mit dem Nachtwind machten und ihn – wie die Garether Metzger sagen würden – buchstäblich zerhackten. Anschließend näherten sich auch die beiden Zurückgebliebenen dem Rest der Gruppe, nur um festzustellen, dass es sich bei der Eule um keinen Elfen handelte. Eine ältere, blinde Frau hatte die Eule zum Vertrauten und nutzte es, um sehen zu können. Da das Tier geschwächt war und nicht weiterfliegen konnte, brachten sie die ältere Frau noch zu ihrer Hütte… weiterhelfen konnte sie ansonsten aber, leider, nicht wirklich. Sie war nur zum Beweis dafür geworden, dass er sich niemals einem Nachtwind nähern durfte, wenn er sich als Adler in die Lüfte erhoben hatte.

Es wäre wahrscheinlich sein Tod.

Leise schluckte Cyruion, während sie die Jagd nach den Gauklern fortsetzten.

Auf dem Weg den Gauklern hinterher, konnten sie noch ein ums andere Mal die Hetzer erspähen, auch wenn sich diese nicht mehr für sie interessierten. Diese Kreaturen des Namenlosen waren demnach ausnahmslos auf jene angesetzt, die die Statuette in ihrem Besitz hatten. Aber was genau war so wichtig an diesem kleinen Stück, das wahrscheinlich das Abbild eines Drachen oder Daimoniden zeigte?

Cyruion verschnaufte einen Moment, er durfte nicht zu sehr in Gedanken schweifen, denn noch hatte er sein Ziel, Warunk, nicht erreicht. Zwar zeichneten sich die Konturen und Umrisse der Stadt bereits ab, doch noch war er nicht dort, konnte nicht sagen, wo er konkret hinsollte und wie viel Zeit überhaupt vergangen war. Es war ein unpraktischer Gedanke, jetzt, da ihm die Flügel allmählich schwer wurden. Zwar hatte er den Zauber in der Vergangenheit bereits ausgereizt, jedoch nie unter solchem Stress, nie mit dem Wissen, dass das eigene Zeitgefühl in diesen vergangenen Tagen abhandengekommen war.

Seine verbliebene, astrale Kraft hatte er für das zweimalige Wirken des ADLERSCHWINGE aufgeopfert, riskierend, dass ihm irgendwo im Wald noch während der Rückverwandlung, einem Durchatmen sowie einem längeren, sorgenvollen Blick zurück in Richtung seiner Gefährten, Diener oder Kreaturen des Dhaza auflauern konnten. Wenn er sich nicht völlig verkalkulierte, dann würde er es gerade so nach Warunk schaffen und falls nicht, noch vor den Stadttoren wie ein Stein vom Himmel fallen. Es war daher ohnehin erforderlich, dass er nicht zu weit über den Wipfeln der Bäume flog, sofern es sich anbot noch tiefer ging, um im Falle eines Absturzes nicht zu viel körperliches Gebrechen zu riskieren. Spätestens die Arie mit dem Fenster in Zackenberg hatte ihm wieder vor Augen geführt, dass sich jeder Schaden, den er in Tiergestalt nahm, entsprechend auf seinen gewöhnlichen Elfenleib auswirkte. Ein Gedanke, den er verdrängt hatte, wo er den Zauber sonst eher wirkte, um auszukundschaften, oder sich der Natur schlicht näher zu fühlen.

Doch sei es, wie es wollte, all die Gedanken um einen elfischen Kollateralschaden waren nicht besonders förderlich und für das eigene Empfinden hatte er die letzten Wochen genug gelitten. Leid schien ohnehin das große Thema dieses Lebensabschnitts zu sein. Während er seinen Weg beschwingt fortsetzte, musste er an die heiligen Tiere der Zwölfe denken, die ihm vor einigen Tagen unter die Augen gekommen waren. Eine Jagdgesellschaft hatte sich offenkundig die Mühe gemacht, diese Tiere zu erlegen. Und zwar ausschließlich solche. Wie bei der Haijagd von Bacha und Phileasson hatte er dafür kein Verständnis, als ihm jedoch deutlich gemacht wurde, dass es sich beinahe um einen Frevel handelte, wurde er schon wieder nachdenklich. Namenloskulte, eine mächtige Statuette und die zwölfgöttlichen Tiere erlegt und zu einer schwer befestigten Burg geschliffen?

Nur ein Narr hätte dahinter, spätestens ab diesem Zeitpunkt, nichts Größeres erwartet. Daher war es nur folgerichtig, den Gauklern und ihren Wagenspuren über Stock und Stein zu folgen. Über der besagten Burg selbst schwebte ein Blaufalke, nach der Eule nicht das erste, zu bewundernde Federvieh. Der König der Lüfte… abgerichtet, sicherlich zur Warnung oder Jagd genutzt. Jedoch sollte das nicht helfen. Aus einem kurzen Gespräch ging ein Impuls von William aus und er versuchte sich über karges Feld zur Burg zu bewegen, nur um von zwei Bolzen zerschlissen zu werden. Garion konnte ihn mit einem geschickten Manöver retten, doch dann zogen sie einmal mehr weiter. Es war zu erwarten, dass die Burg die gesuchten Antworten beinhaltete, doch sie wirkte uneinnehmbar mit solch einer kleinen Gruppe, aus der ein Streiter noch verletzt war.

Es wurde allmählich dunkel, wenn er sich recht entsann, warteten sie ab. Denn irgendwann würde schon irgendetwas passieren – und nach einer ganzen Weile konnten die erschöpften Gefährten einen Lichtschein fernab der Burg erblicken, dem zu folgen war. Tarambosch schlich, ohne Rüstung, am Waldrand entlang und verschaffte sich einen ersten Blick, erschlug dazu ein kleines Mädchen und kam auf diese Weise in den Besitz einer Kultistenrobe wie -maske. Offenbar sammelten die Kultisten noch Holz. Sachen, die nur ihm passten. Sie näherten sich, nachdem sie den Gedanken verworfen hatten, die Kultisten zu infiltrieren. Denn es erschien unmöglich, noch an diesem Abend in kürzester Zeit hinreichend passende Gewandung zu erlangen, ohne dass es irgendwann auffällig wurde.

Aus etwa 150 bis 200 Schritt Entfernung war der Platz gut zu überblicken. Eine große Statue des Namenlosen im Zentrum, eine Statue, die ihn erhaben und nicht etwa in Ketten zeigte… dazu ganze dreizehn Scheiterhaufen. Dreizehn. Es war seine Zahl. Seit jeher.

Noch während die anderen und der Elf anfingen sich Gedanken machten, wie vorzugehen war, begab sich ein ganzer Tross aus Dienern des Namenlosen zum Kultplatz. Darunter obskure Gestalten wie ein Junge mit fast schon schneeweißem Haar, einer der wenigen, der keine Maske trug oder vielleicht sogar der einzige. Offensichtlich kamen sie aus Richtung Burg und hatten, zu allem Überfluss, die zwölf Tiere dabei. Kurz darauf wurden die Scheiterhaufen, gespickt mit den heiligen Kreaturen der Zwölfgötter, angezündet. Ihnen lief allmählich die Zeit davon – und noch immer hatten sie keinen richtigen Plan, was auch immer dort geschehen sollte zu verhindern. Denn, so viel war sicher, es würde keine gute Tat sein, die heute hier in diesem Ambiente verrichtet werden sollte. Im Gegenteil. Es brauchte eine zündende Idee…

Eine gefühlte Ewigkeit später hatten sie sich auf eine Möglichkeit, die weniger Unmöglichkeit in sich barg als viele andere Gedanken, verständigt. Zumindest, nachdem sie die Statuette auf dem Kultplatz in der Nähe eines blassen Elfen sichten konnten. William hatte sich indes weiter nach vorn geschlichen, um den Kultplatz aus nächster Nähe zu erleben, vielleicht von dort etwas vornehmen zu können und gegebenenfalls für Ablenkung zu sorgen. Es war jedenfalls heikel, denn er begab sich mitten in die Höhle des Löwen, am späten Abend des fünften Tages des Namenlosen.

Cyruion zog sich etwas zurück, sammelte sich. Es war nie wichtiger gewesen, dass seine Verwandlung gelang und dass er selbst, zum Glück, unversehrt war. Nach den Worten „ADLERSCHWINGE WOLFSGESTALT“, setzte der Verwandlungsprozess ein und kaum einen Augenblick später stand der gefiederte Elfenmagier inmitten des heldenhaften Trüppchens, das aus nicht mehr als einer Hand bestand.

Ein Alveranskommando.

Im Gegensatz zu den Menschen fürchtete der Auelf das bevorstehende Ende allerdings nicht wirklich. Denn, so dachte er, die Sagen und Legenden seines Volkes sangen immer wieder von Reinkarnation oder dem Weg ins Licht. Es war ein beruhigender Gedanke, nicht die Niederhöllen fürchten zu müssen, sondern schlicht eins mit dem eigenen Volk zu werden, gleich wann sie das Schicksal geholt hatte. Kein möglicherweise ewiges Warten in Borons Hallen, ehe eines der zwölfgöttlichen Paradise sich öffnet. Die Situation war angespannt, doch eine gewisse Ruhe konnte er sich nicht absprechen. Wenn er hier starb, dann war es wenigstens für eine größere, eine wahrscheinlich nicht unbedeutende Sache, wenn er nur an das Artefakt und seine Macht dachte.

Dann war es soweit…

Tarambosch gehörte der erste Schritt, es war an ihm, das Ritual und den Ablauf des Abends in erster Instanz zu stören und er hatte sich das Ziel für seinen Bolzen gut gewählt. Der schwarzäugige Elf, der nahe der Statuette offenbar in einem Beschwörungskreis stand. Von der Wucht des Bolzens wurde dieser verräterische Elf umgeworfen. Vorab hatte sich Cyruion ein Stück abseits bereits in die Lüfte erhoben.

Er brauchte eine Menge Anlauf wie Höhe, dass Angriff und Flucht in so kurzer Zeit passierten, dass eine Reaktion nahezu unmöglich wurde. Während der namenlose Elfenmagier zu Boden ging, setzte der verwandelte Auelfenzauberer an. Es war das Signal für sein Eingreifen – jetzt oder nie.

Sturzflug. Dere zischte an ihm vorbei, doch der geschärfte Blick des Elfen hatte die Statuette längst fokussiert. Er hörte nichts mehr außer dem Rauschen der Luft, die die eigenen Flügel durchschnitten. Ein ohrenbetäubender Lärm, an den er sich einen Moment gewöhnen musste. Die Fänge waren gespreizt, etwa 80 Schritt die Sekunde. Hoffentlich packte er im rechten Moment zu. Sonst war alles umsonst…

 

Geschafft!

 

Allerdings, wie er in einem kurzen Anflug von Euphorie bemerkte, hatte er nicht alles zu Ende gedacht. Noch auf den ersten Metern weg vom Ritualplatz bemerkte der zum Bergadler gewordene Auelf, dass er keinen Gedanken an den Blaufalken nahe der Burg verschwendet hatte. Dieser war ebenfalls am Ritualplatz. Cyruion versuchte das bestmögliche aus seinem Überschuss an Geschwindigkeit zu machen, konnte die Gefahr jedoch nicht abschütteln. Der Falke rückte ihm allmählich auf die Federn, in leichter Hektik und Panik drehte Cyruion bei in Richtung seiner Gefährten und ließ einen Schrei ab. Er brauchte sie, oder zumindest eine Klinge, einen Bolzen, sonst würde er das Nachsehen haben. Unablässig rückte der Falke näher. Eine weitere Runde im weiten Radius, dazu hatte der Elfenmagier des Namenlosenkultes sich gefangen und setzte seine Kraft gegen den Bergadler ein. Es wurde schwerer, sich überhaupt in der Luft zu halten, voranzukommen.

Hilfe.

Verzweiflung machte sich im Blick des Adlers breit. Ein weiteres Mal überflog er die Gefährten, machte sich bemerkbar – dann traf endlich ein Bolzen. Erleichterung überkam den Elfen als der Blaufalke zu Boden sank und sich nicht mehr erhob. Bei aller Liebe zu Tieren, dieser Tod war kein nutzloser, sondern diente einer größeren Sache. Angeschlagen von den Einflüssen der luftelementaren Magie stieg Cyruion wieder auf, die Statuette noch immer fest in den Fängen und setzte sich ab. Dorthin, wo er Warunk vermutete; jene Richtung, die sie zuletzt eingeschlagen hatten, als sie nach Warunk wollten.

Dann die Feuersbrunst, unter einem lauten Knall und schier endlosem Knarzen und Knirschen verendete der Wald, offenbar eine Auswirkung der Macht des Knaben, der um seinen Ritus gebracht wurde. Cyruion war jedoch weit genug weg. Nur die Bekannten… ob sie es geschafft hatten?

Ächzend und krächzend kreiste Cyruion wenige Minuten später über Warunk und setzte vor dem auf, was er aus der Luft als Tempel des Götterfürsten Praios vermutete und verwandelte sich vor zwei Sonnenlegionären ungeniert zurück. Die Statuette übergeben, das Erlebte schildern, wo sie gewesen waren. All das hatte er vor, doch für mehr als die Statuette reichte es nicht. Völlig erschöpft, physisch wie psychisch, fragte er noch im Tempel Praios‘ nach dem nächstmöglichen Bett, das er beanspruchen könnte… und nach Tempelasyl. Denn zumindest solange, wie die alte Reisegruppe nicht zusammengefunden hatte, wollte er sich inmitten Götterdienern wissen, die mit den Schrecken des Dhaza besser umzugehen wussten.

 

1014.

 

Es konnte nur besser werden..