Gareth 12 (Neferu)

Kategorien: 1013 BFDer Puls der StadtFeqzjianGarethNeferu
Zeitraum: FIR 1013

Als sie wieder zu sich kam, war Neferu die ersten Momente nur träge in der Lage, ihre Situation zu erfassen.
Es war dunkel, kalt und nass. Sie lag auf dem Boden, nicht ausgestreckt, sondern zusammengerollt. Der klamme Untergrund der Kanalisation hatte sich frostig-feucht unter ihre Kleidung geschlichen und ihre Hände und Füße waren eiskalt. Modriger Gestank benebelte ihren Geruchssinn.
Da waren Laute, die bedrohlich schmatzend in ihre Wahrnehmung huschten und ihr einen Schauer verpassten. Es war so furchtbar düster, nur Schemen waren zu erkennen, selbst wenn man die Augen zukniff.
„Neferu?“
Sie hob mühsam, noch immer benommen den Kopf. Direkt neben ihr stand Phexdan, in breitbeiniger Verteidigungsposition. Er flüsterte nur.
„Es liegt ein Schutzkreis um uns herum. Die Ghule können nicht zu uns. Noch nicht…“
Ach ja. Die Ghule. Sie war besinnungslos geworden.
Welch vorbildliche Phexgeweihte sie doch war. Nicht einmal in der Lage, die schwarzen Punkte der Ohnmacht zu verdrängen, die einem vor den Augen tanzten, ehe man aufschlug.

Sie appellierte an ihre Selbstbeherrschung und stemmte sich auf die Beine. Zuerst noch etwas wackelig in den Knien, dann in festem Stand.
„Was machen wir jetzt?“ murmelte sie, aber ohne eine Antwort von Phexdan zu erwarten. Sie ließ wie zur eigenen Antwort die Blicke schweifen. Es war nicht einfach, etwas zu erkennen, aber bei einem war sie sich sicher: Kaum eine Armlänge von ihr entfernt sickerte in einem aus Steinquadern gebauter Kanal das Wasser durch die Unterstadt, das den Müll der reichen Städter nach sonstwo beförderte. Abfall und Verlorenes schwamm da unfreiwillig im brackigen Wasser. So auch ein Ast… Ein recht stattlicher Ast, wie man zugestehen musste. Die Vergangenheit des Holzes würde voraussichtlich für immer ein Rätsel bleiben, aber nicht unbedingt seine Zukunft.
Die rote Hexe fasste ihren Mut und griff beherzt aus dem sicheren karmalen Kreis heraus nach dem Holz.
Es war recht frisch und nicht morsch und verhieß eine Möglichkeit, den widerlichen Kreaturen der Unterstadt Gareths heilen Leibes zu entkommen.
Sie hielt den kräftigen Stock in beiden Händen, fokussierte ihre Gefühle, projizierte ihren Zorn und Gewaltbereitschaft in die künftige Waffe und warf sie in die Richtung des Schlurfens und Kratzens. Aggressiv belebt, schlug der Radau unkaputtbar um sich, verdrosch die weißäugigen Ghule, von denen wenigstens einer mit zermatschtem Schädel sein Ende fand.
Die anderen zwei prügelte der Stock auf nimmerwiedersehen durch die unterirdischen Gänge, bis er außer Reichweite des Blickes der Hexe lauthals zu Boden fiel.
Zurück kamen die Menschenfleischfresser trotzdem nicht.
Durchatmend wagten sich die zwei aus ihrem phexgesegneten Kreis.

Unbehelligt legten sie in der Finsternis ein Stück Wegstrecke zurück, das in etwa der bereits Gegangenen entsprach. Beide schwiegen, viel vorsichtiger und leise atmender als zuvor.
Nef war schwer erleichtert, als sie beide den Tunnel erreichten, den sie als Hauptabschnitt erkannte. Sie wusste jetzt, wo sie war und wo sie hin wollte.
Sie bogen in einen schmalen Gang, der nach oben führte. Die Wände verloren an Algen und Feuchtigkeit.
Die vermeintliche Sackgasse an der Neferu schon einmal gewesen war, täuschte sie nicht mehr, wusste sie doch, was sich Wunderbares dahinter befand: Ein Einsprengsel des Phex. Eine Notunterkunft, ein Schrein zum Beten. Sie entfernte vorsichtig die Holzvorrichtung und führte Phexdan in die kleine runde Kammer.

In ihrem Kopf hatte sie übertrieben. So heilig und einem Schrein sehr ähnlich war es dort gar nicht. Zumindest nicht im Ansatz so wie es als Eindruck in ihr zurückgeblieben war.
Soviel Platz war auch gar nicht in der winzigen Kammer. Der runde Grundriss war ausstaffiert mit einer Strohmatte, einer alten Wolldecke und einer Feuerschale, in der tatsächlich Glut geschürt wurde. Die Decke war sehr hoch, dass man das Gefühl hatte, sich in einer senkrechten, steinernen Röhre zu befinden, in deren Wände allerlei Nischen, verborgene und offensichtliche, getrieben worden waren. So lagen dort Dietriche, ein Satz einfache Kleidung, ein Klumpen Weihrauch und ein kurzes Seil.
Dominiert wurde der Ort des Rückzugs von einer silbernen, aufrecht stehende Fuchsstatue, die eine ebenso silbrige Schale in den Vorderpfoten hielt.
Diese Statue musste das Gefühl von Heiligkeit das letzte Mal bei ihr ausgelöst haben. Dieses Mal aber war sie viel zu müde. Das musste noch von dem Schwächeanfall kommen, gestand sie sich peinlich berührt ein. Phexdan sah sie allerdings nicht schadenfroh und neckend an, sondern ruhig und abwartend.
Sie legte ein Silberstück in den Opferstock und setzte sich im Schneidersitz auf die Decke.
„Komm..“ forderte sie ihn auf. „Wir müssen reden. Wirklich reden, über alles. Eine Aussprache. Das haben wir noch nie getan.“