Grangor 12 (Rahjard)

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Ohne besondere Ereignisse, ohne besondere Taten ließ Rahjard die letzten Tage in Grangor verstreichen. Lediglich zwei Dinge hatte er noch unternommen: sich Proviant gekauft und mit Nestor gesprochen. Dieser würde ihn mitnehmen, die Bettler würden es sehen. Sie würden wissen, dass er von dieser Stadt allmählich genug gesehen, dass er genug erlebt hatte. Jedoch waren die Tage die vor ihm lagen alles andere als erbaulich. Alleine mit weitestgehend Fremden auf einem kleinen Schiff, dann nach Ferdok… nach Gareth und Festum. Zwar hatte er es nicht eilig, doch der Gedanke, dass sein letzter Aufenthalt an der östlichen Küste bereits über einen Götterlauf zurücklag gefiel dem charismatischen Burschen auch nicht.

Eigentlich war sein Verhalten untypisch, insbesondere wenn man bedachte, dass er einen Mond, eineinhalb Monde nach Neferu gesucht hatte. Jedoch hatte sie seither nur Augen für Phexdan. Nicht einmal für einen kleinen Taschendiebstahl hätte sie sich wohl Zeit nehmen wollen, selbst als sie in einer von Rahja und Satinav geschaffenen Zeitblase gefangen waren hatte sie sich kurz ehe sich die Zeitstarre in Wohlgefallen auflöste offenbar zu ihrem Liebsten begeben. Allein dieser Gedanke gefiel ihm nicht, dass seine vermeintliche Schwester im Geiste sich seit ihren Erlebnissen bei einigen Eingeborenen nahe Al’Anfa einen feuchten Kehricht für ihn interessiert hatte.

Eifersüchtig? Ein wenig – nur nicht auf solche Weise wie der Ritter des alten Weges.

Was wollte sie in Ferdok? „Das geht dich nichts an“, hatte sie zurückgefaucht. Auch sonst schien sie sich, im Nachhinein betrachtet, gewandelt zu haben. Es fühlte sich fast so an, als wäre sie eine Fremde und nicht mehr jenes junge Ding, wegen dem er einen Reiter nach Arivor entsandt hatte oder jenes, welches ihm mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen in die Seite knuffte. Er war unzufrieden. Sie war irgendjemand, aber nicht die Neferu, die er wenigstens zu mögen gelernt hatte. Nicht die, die sich herausnahm in jeder noch so unpassenden Situation einen schlechten Scherz auf seine Kosten zu machen. Je mehr er darüber nachdachte, kam ihm auch Garion in den Sinn. Armer Bronnjar. Gerade jetzt sitzt er wahrscheinlich in Grangor, alleine. Denn die, mit der er den Bund Travias eingehen wollte, wandte sich von ihm ab und einem Bettler zu. Armer Rondrit. Als wäre er, betrachtet man seine Herkunft und sein Wesen, seinen Glauben und die Marotten… nicht schon genug von den Göttern gestraft worden.

Daher war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Bronnjar sich ebenfalls aus Grangor zurückziehen würde. Nach Arivor – oder zu Ithar, ins Bornland. Irgendwohin, wo er „seine“ Neferu nicht sehen müsste, wo er seinen Kummer, das Leid und das Wehklagen in dem Lernen neuer Liturgien oder körperlicher Ertüchtigung mit dem Schwerte ertränken könnte. Und dann war es das, vermutlich. Neferu würde sich auf Phexdan einlassen und er sich gewiss auch auf sie, Garion Rondrior von Arivor würde irgendwann ehrenvoll in einer Schlacht zugrunde gehen und er, …er würde erst einmal die Zeit bei Mirhidan genießen. Und dann weitersehen, ob es möglich wäre das eigene „Schicksal“ in ein noch besseres Licht zu rücken, im Vergleich zu dem tragischen des ehemaligen, bornländischen Sonnenlegionärs. Verkneifen konnte sich Rahjard ein mattes Schmunzeln in diesem Moment nicht, obwohl er fast ein wenig Mitleid für den Geweihten empfand.

Um dieses Ziel jedoch zu erreichen war es erst einmal vonnöten, seine sieben Sachen zusammenzupacken und Grangor zu verlassen. Eine leichte Aufgabe, deren Erfüllung er am nächsten Morgen mit Nestor im Schlepptau in Angriff nehmen wollte. Endlich… weg.