Grangor 22 (Feqzjian)

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Feqzjian oder Phexdan, wie ihn die Leute hier in Grangor nannten, streckte sich.
Es tat gut die Wärme des Bettes länger zu nutzen, als die meisten Horasier für schicklich befunden hätten. Gemächlich drehte er sich auf die Seite und wuschelte sich durch die chaotisch abstehenden Haare.

Bald würde Neferu zurückkommen und dann konnte der Tag beginnen. Nur kurz sah er zu dem kleinen Fenster des Herbergszimmers hinüber. Das Fenster war ein Stück weit geöffnet und ließ den Lärm der Menschen vor der „Offenen Hand“ zu ihm ein. Das fröhliche Treiben erinnerte ihn an die Zeit in Tuzak, wo jederzeit Rufe, Gesänge und Streit durch die Straßen und Gassen der Stadt schallten. Dumm nur, dass er sein Gesicht in Tuzak nicht offen zeigen konnte. Dieser vermaledeite Jagrash ibn Fazim! Schon der Gedanke an diesen Hurensohn ließ ihn die Gemütlichkeit seiner warmen Schlafstatt sträflich missachten.

Mit dem Schwung seiner Beine erhob er sich aus dem Bett und ging zu dem Fenster hinüber, um es zur Gänze zu öffnen und hinaus auf die verstopfte Straße zu sehen. Wo Neferu wohl blieb? Sie hatte doch nur kurz zur Garde gewollt um mit Garion zu reden.
Sein Blick glitt über die vielköpfige Schar am Fuße des Hauses. Die Menschen dort unten bildeten eine farbliche Einheit von Graublau, sodass er Neferu nur an ihren Haaren hätte erkennen können. Missmutig verzog er das Gesicht und wandte sich wieder in das Zimmer hinein. Er musste sich waschen und anziehen, so würde er weniger Zeit verlieren, wenn seine Geliebte zurückkehrte. Ein suchender Blick tastete sich über das Chaos, das in dem Zimmer des Phexgeweihten herrschte. Überall lagen Wäsche, Bücher, Dokumente und Schmuckstücke – für das ungeübte Auge ein absolut konfuses Wirrwarr verschiedenster Gegenstände.
Nicht so für den gebürtigen Maraskaner. Zielstrebig hielt er auf den Haufen der sauberen Kleider zu und griff sich eine dunkle Hose mit einem passenden Hemd. Innerlich verfluchte er die farbliche Eintönigkeit dieser Stadt, aber um nicht all zu sehr aufzufallen, war es notwendig sich anzupassen.
Auf dem Weg zum Waschtisch hinüber warf er die Sachen auf sein Bett und griff mit trockener Kehle nach einem halbvollen Becher mit billigem Wein, der vom Vorabend übrig geblieben war.
Bei der Schönheit, ist das Zeug bitter! Mit einem Schaudern leerte er den Becher so schnell er konnte und stellt ihn auf das niedrige Beistelltischchen neben dem Bett zurück.
Rasiert hatte er sich erst vor zwei Tagen, eine erneute Rasur war also noch unnötig, befand er und tauchte seine Hände in die Schüssel mit kaltem Wasser, um sich damit das Gesicht zu waschen.
Das eisige Wasser weckte seine Lebensgeister. Mit neu erwachtem Elan warf er sich zwei, drei Hände voll Wasser unter die Arme und in den Schritt. Er hatte nie verstanden, was manche Leute an warmem Waschwasser fanden. Es ermüdete, es war zu heiß und es verleitete einen dazu seine Zeit faul in einem hölzernen Bottich zu verschwenden. Leise prustete er das Wasser aus seiner Nase und griff nach einem am Boden liegenden Handtuch um sich abzutrocknen.
Ein Genius überblickt eben das Chaos, dachte er bei sich und warf das Tuch mit der verwaschenen, grauen Farbe zur Seite von sich. Wie von Rur geschaffen durchquerte er das Zimmer und kehrte zu seinem Bett zurück, auf dem er Hemd und Hose mit der warmen Hand ein wenig glatt strich.
Es galt immerhin einen gewissen Eindruck in dieser Stadt aufrecht zu erhalten. Während von draußen der flehende Gesang eines Bettlers hinein drang, zog er seine Hose über und schnürte das Hemd vor seiner Brust zusammen. Der Tag sah warm aus, mehr würde er nicht benötigen.
Mit gerunzelter Stirn betrachtete er das unaufgeräumte Zimmer. Nun hieß es nur noch seine Stiefel zu finden …

Auf dem Flur ertönten Schritte. Feqzjian unterbrach seine Suche und hob den Kopf an um zu lauschen. Genagelte Sohlen, ohne Zweifel, aber der Schritt war schnell und nicht schwer. Was sich näherte war auf jeden Fall weiblich und leicht. Rasch stellte er sich aufrecht hin. Auf gar keinen Fall würde er sich die Blöße geben gerade nach etwas zu suchen, dass er verlegt hatte, wenn Neferu zurückkehrte! Mit schnellen, leisen Schritten huschte er zum Bett und ließ sich leise hinein gleiten – keinen Augenblick zu früh. Die Tür zu seiner Behausung öffnete sich und gab den Blick auf die dunkelhäutige Schönheit mit den tannengrünen Katzenaugen frei. Sie sah ein wenig ungehalten aus, wie er fand – niedlich. Er legte ein Lächeln auf seine Lippen und verschränkt die Arme hinter dem Kopf.
„Da bist du ja wieder.“, eröffnete der Maraskaner das Gespräch und zeigte ihr in einem schmalen Grinsen seine ebenmäßigen Zähne.
„Du hast Garions Haftstrafe verlängert! Und ich bin mir sicher, du warst es auch, der dafür gesorgt hat, dass der Fäkalieneimer über ihm ausgeleert wurde!“, ihre Augen verengten sich zu ungehaltenen Schlitzen, als sie die Tür hinter sich mit ein wenig mehr Schwung als nötig ins Schloss warf und auf ihn zu kam.
Schnell setzte er sich aufrecht hin. Sie war aufregend wenn sie wütend war, ohne jeden Zweifel.
„Bist du auch böse auf den Fuchs, wenn er eines deiner Hühner reißt?“, wagte er mit einem kecken Lächeln zu antworten und leuchtete mit seinen grünen Augen ihr Gesicht aus, während er seine Unterlippe ein wenig nach vorne schob. Die Schöne stutzte und wirkte einen Moment irritiert, ehe sich ihre Mundwinkel langsam aber sicher hoben.
Gratulation, Feqzjian, mein Freund, das war es, was du sagen musstest.
Er erhob sich aus dem Bett und trat der Frau die er in sein Herz geschlossen hatte entgegen, um sie in die Arme zu schließen.
„Nein, Phexdan! Ich muss dir böse sein! Du hast einen meiner engsten Freunde misshandelt!“, erhob sie einen wankenden Einwand, verstummte aber, als seine Lippen die ihren berührten.
Seine Hand glitt in ihre Haare. Diese warmen, dunklen, duftenden Haare. Dann drückte sie ihn ein wenig von sich.
„Warum hast du das getan?“, verlangte der göttliche Mund zu wissen und verzog sich schmollend. „Er hat angefangen. Kam einfach auf mich zu und hat ohne ein Wort zugeschlagen. Jemand musste seine Mütchen kühlen.“, wieder ließ er ein gewinnendes Lächeln über seine Lippen gleiten und griff nach ihrer Hand.
„Phexdan. Du wirst dich entschuldigen gehen, hörst du? Du findest ihn im Rondratempel.“ Er seufzte leise.
„Ja, sicher werde ich das.“, ein beiläufiger Blick striff seine Stiefel. Feqz sei Dank, schoss es ihm durch den Kopf, als er danach griff und sich auf die Kante des Bettes sinken ließ um sie überzustreifen.
„Und ich gehe jetzt gleich. Je schneller ich das hinter mir habe, desto besser.“ Mit einem letzten Blick zurück, begleitet von einem Lächeln von dem er hoffte, dass es charismatisch wirkte, verließ er das Zimmer und nahm die Treppe hinab in den Schankraum.
„Gaftan! Gib mir rasch ein Brot auf die Hand, ich habe nicht viel Zeit. Bin auf ‘ner wichtigen Mission.“, rief er dem Wirt mit der Halbglatze und den hängenden Wangen zu, als er sich auf das Ende der Theke lehnte, dass der Treppe am nächsten war.
Zwar hasste er es im Stehen – und erst recht im Gehen – zu essen, aber der Gedanke daran Garion wie einen gefangenen Löwen besuchen zu können und zu wissen, dass er wohl verwahrt noch einige Tage von Grangors Straßen verschwunden bliebe, besserte seine Laune.

So dauerte es nicht lange, bis er leise pfeifend auf die Straße zum großen Rondratempel abgebogen war. Sein Blick glitt an dem mächtigen Steinbau hinauf, von dem er wusste, dass er auf einer stabilen Insel und nicht nur auf Stelzen im Wasser errichtet worden war. Die Tore dieser Festung standen weit offen, wie es immer der Fall zu sein schien. Nicht zum ersten Mal fragte Feqzjian sich, welchen Sinn eine Festungsanlage hatte, deren Tore ständig geöffnet waren. Mit gerunzelter Stirn nickte er den schwer bewaffneten Wachen am Eingangstor zu und durchmaß gemessenen Schrittes die Haupthalle des Tempels, eher auf den am wenigsten kriegerischsten Menschen, den er ausmachen konnte zuhielt.
Eine blonde Frau, recht groß und breit gebaut, aber dennoch recht weiblich wandte sich zu ihm herum, als er sie ansprach.
„Rondra zur ewigen Ehre. Was kann ich für euch tun, Bürger?“, erklang eine Stimme, die vor Befehlsgewalt nur so triefte. Er schluckte leise. Wenn dies tatsächlich die harmloseste Person in dieser Vorhalle war, wollte er mit den anderen lieber gar nicht erst reden.
„Ich…nunja…ich suche den Herrn Garion Rondrior von Arivor. Ich möchte ihm meine Aufwartung machen.“, presste er hervor. Bei Phex, du hattest auch schon bessere Ausreden auf Lager.
Die Frau musterte ihn einen Moment lang, nickte dann aber knapp.
„Ganz wie Ihr meint. Aber lasst euch gesagt sein, dass er in letzter Zeit hart von der Göttin geprüft wurde, möglicherweise ist er ein wenig ungehalten. Hier entlang.“, es klapperte drohend, als ihre beschlagene Schwertscheide gegen ihren gepanzerten Schenkel schlug, während sie sich einen Weg durch die Betenden bahnte.

Nur kurze Zeit später fielen die Geräusche der Betenden hinter ihnen zurück, als sie in einen Gang einbogen, der bestenfalls genug Platz für zwei Personen Phexdans Größe und Breite bot. Ob einer zurückgehen muss, wenn sich Garion und die Dame hier auf dem Flur begegnen? Als die Frau auf eine Tür zeigte, sah er vor seinem inneren Auge noch immer Garion, wie er jeder Manövrierfähigkeit beraubt, rückwärts durch die Gänge des ehrwürdigen Tempels wankte.
„Hier ist es. Klopft an, bevor ihr eintretet. Ihr seid hier Gast, vergesst das nicht.“, ein lauernder Blick traf den Geweihten, ehe Selissa sich zum Gehen wandte.
Einen Moment lang sah Feqzjian ihr nach. Irgendwas stimmte nicht. Er legte die Stirn in Falten, atmete tief durch und ballte die Faust, um an die Tür zu klopfen. Der Schlag hallte in dem niedrigen Gewölbe unnatürlich laut wider und im Anschluss herrschte einen Moment unbehagliche Stille. Wofür genau sollte er sich eigentlich entschuldigen? Es war nur gerecht, dass er einen Angriff auf seine Person mit einer Demütigung gegen Garion vergolten hatte. Er kaute auf seiner Unterlippe herum, als sich schwere Schritte der Tür näherten. Er wusste, dass seine Entschuldigung bestenfalls halbherzig werden würde, immerhin sah er bei sich keinen Fehler. Da konnte er ebenso gut bei der Wahrheit bleiben. Direkt hinter der Tür erklang die Stimme des Rondriten: “Neferu…?“

Die Tür öffnet sich. Garion, gehüllt in dunkelblaue Kleider im unauer Stil stand im Türrahmen und hob offenkundig überrascht von einem derart unerwarteten Besuch die Brauen.
„Nein, aber ihre weitaus schlechtere Hälfte.“, erwiderte der Maraskaner mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. „Phexdan? Was … willst du denn hier?“, fragte der Aradarit mit seiner tiefen, ruhigen, aber von deutlicher Irritation gezeichneten Stimme.
Feqzjian von Tuzak leckte sich über die Lippen und hob die Schultern an.
„Neferu hat gesagt ich soll mich entschuldigen. Ich weiß zwar eigentlich nicht wieso, schließlich hast du angefangen, aber: Entschuldigung. Nimmst du an?“, er grinste provokant, wie um den Inhalt seiner Worte zu unterstreichen.
Mit stoischer Ruhe auf den Zügen sah der Rondrit Feqzjian entgegen, dann blitze eine Bewegung durch den Leib Garions und zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage krachte eine geballte Faust in das Gesicht des Phexgeweihten. Er spürte, wie er rückwärts taumelte, gegen die Wand hinter sich stieß und wankend zum Stehen kam. Seine Nase schwoll sofort an und der vergehende Schmerz hinterließ ein unangenehmes Jucken. „Nein.“, ertönte es trocken aus Richtung der Tür, dann hörte er sie ins Schloss fallen.

Als der Geweihte Phexens aufsah, schoben sich zwei Bewaffnete in sein Blickfeld. Eine Stimme beschied: „Das wird euren Arrest um einen weiteren Tag verlängern, Knappe der Göttin! Darüber reden wir noch!“
Dann wandte Krieger mit dem graumelierten Kurzhaarschnitt wandte sich herum und deutete auf den Schwertgesellen, der sich noch immer die Nase hielt: „Und was euch angeht. Haltet euch von dem Knappen der Göttin fern! Ich habe wenig Lust, dass ihr immer wieder Ärger macht. Uluv! Geleitet den Herrn nach draußen …!“