Gareth 8 (Neferu)
Kategorien: 1013 BFDer Puls der StadtFeqzjianGarethNeferuSalpicoZerwasZeitraum: –––
Die Räumlichkeiten der Smaragdnatter beheizten ihren durchgefrorenen Körper, das ungewöhnliche Bild ihr Herz:
Vereint besetzten Salpico, Zerwas und Phexdan einen der Tische. Phexdan lümmelte halb liegend auf der Bank, während Zerwas sich mit brütender Miene über ein Schriftstück neigte.
Sie wünschte sich, dass es diese Eintracht immer gab, wollte den Anblick noch einen Augenblick länger ungesehen genießen.
Der Schankraum war an diesem Abend nur halbvoll. Sie trat einen Schritt zur Seite in den tiefen Schlagschatten der Ecke einer vorspringenden Wand und blickte stumm und reglos zu den drei Männern hinüber. Salpico neigte sich zu Zerwas, sie unterhielten sich. Der kleine maraskanische Koboldmaki Dajin hatte es sich auf Phexdans Zauskopf gemütlich gemacht, filzte lausend die kurzen Strähnen.
Die drei Männer an einem Tisch, die in ihrem Leben bisher eine Rolle gespielt hatten – bis auf den Rondrageweihten.
Phexdan, Vespers erste große Liebe. Der Mann dem sie hinterhergelaufen war, um nie ganz bei ihm anzukommen. Der in einem umnebelten Geheimnis lebte und sie außen vor ließ. Den sie besser von weitem liebte, damit er sie nicht mit seiner einzelgängerischen Auffassung einer Liebesbeziehung traurig machen konnte oder sie mit seiner stürmischen Gedankenlosigkeit überrumpelte. Er hatte nie ganz verstanden, warum es mit ihnen zweien nicht funktioniert hatte. Trotzdem waren seine offenen Arme immer da gewesen, wenn sie ihn gebraucht hatte.
Salpico.. das offene Buch. Er biederte sich an und bewies gleichermaßen empathielose Frechheit. Aber nicht aus Böswilligkeit, das hatte sie längst eingesehen. Er war ungeschickt mit Menschen, weil ihm die Erfahrung von Nähe fehlte. Er ging eifrig auf ihre Vorschläge ein und hatte mit ihr das Bett geteilt, als sie die körperliche Nähe einer Person benötigt hatte. Er war ein Freund und als einen solchen liebte sie ihn. Ein kleiner Bruder, der in der Welt noch nicht zurechtkam.
Zuletzt Zerwas. Die erhabene Ewigkeit, die wie für sie selbst gemacht schien. Kraftvoll, willensstark und nicht ohne den beißenden Humor, den sie so schätzte. Der Mann, wegen dem Vesper das größte Leid ihrer Existenz erfahren hatte, als sie ihn verloren geglaubt hatte. Das dunkle offene Fenster, das jetzt verheißungsvoll entgegenblickte.
Zerwas sah sie an. Quer durch den Schankraum hatten seine grünen Augen sie gefunden.
Er hatte sie bemerkt und lächelte sein ruhiges, selbstbewusstes Lächeln. Hatte er sie gerochen?
Entdeckt schritt sie auf den Tisch zu.
„Phexdan war endlich einmal nützlich.“ billigte der Vampir dem Genannten zu.
„Seine Fähigkeiten des Handelns haben den Preis ganz ordentlich gedrückt.“ ergänzte der Schwarzmagier.
Der Geweihte des Fuchsgottes hielt es nicht für nötig, sich aufrecht hinzusetzen.
„Und wie viel wird der Bau kosten?“ Neferu hoffte inständig, dass ihre Ersparnisse und das Geld aus der Verhandlung ausreichen würden, um diesen Traum eines eigenen Hauses möglichst zeitnah umzusetzen.
„Zweitausendsechshundertsiebenundsiebzig Dukaten und fünf Silberstücke.“ antwortete Salpico prompt, hoffnungsvolle Erwartung in den schwarz anmutenden Augen.
Die Frau in Rot nickte deutlich. „Dann reicht es. Die Bauarbeiten sollen so schnell wie möglich beginnen. Ich werde in Kürze noch einmal mit dem Baumeister sprechen.“
Als die Stunden weiter vorangeschritten waren, verließ Zerwas die Unterkunft. Er machte sich auf, um durch unbeschienene Gassen zu streifen auf der Suche nach einem Unglücklichen, der seine Nahrung sein würde. Neferu begleitete ihn ein Stück weit. Sie wusste, spätestens nach seinem Verlust an Selbstbeherrschung auf der Boroninsel in Havena, seit dem Tag an dem er sie fast getötet hatte, empfand er es als unangenehm, vielleicht sogar schmerzlich beschämend, in ihrer Gegenwart von seinem Drang des Trinkens zu sprechen. Und umso unbehaglicher war ihm wohl, dass sie mit ihm vor die Tür gekommen war.
Aber es hatte zu schneien begonnen und sie benötigte frische Luft. Außerdem war ihr dringend daran gelegen, den Perainetempel aufzusuchen.
Während Zerwas in Rosskuppel durch die Nacht jagte, gelangte sie zum Tempel von Ackerbau und Heilkunst.
Ein Geweihter war zugegen, ein großer, dürrer Mann namens Rohalides. Er war sehr freundlich, mitfühlend und ließ es an Hingabe an seine Berufung nicht mangeln. Im Gegensatz zum Therbunitenkloster in Trallop, verlangte man hier kein Geld. Das einzige, was es benötigte, ihr Sikaryan zu mehren, war ein zwölftägiger Aufenthalt im Tempel der Göttin selbst.
Und sie spürte von Tag zu Tag, dass es dringend nötig war. Ihre Augenringe zeichneten ihr Gesicht, verliehen ihr ein abgeschlagenes Äußeres. Müdigkeit, Erschöpfung und das Gefühl von Krankheit seit drei Monaten. Sie musste sich der Perainekirche überantworten, um wieder gänzlich zu genesen.
Als sie zurückkam saß lediglich Salpico unten im Tavernenbereich, kritzelte irgendwelche Aufzeichnungen nieder und aß dazu eine dampfende Suppe.
„Willst du auch was?“ Er war guter Laune.
„Nein, danke. Ist Zerwas schon zurück? Oder Phexdan oben?“ Sie fühlte sich mit einem Male ausgelaugter und um Jahre gealtert.
„Beide nicht da! Aber ich komm gerne mit dir hoch!“ beschwingt lupfte er sein Robenröckchen und schlenderte mit ihr nach oben.
Sie war froh, als sie das Talglicht im Dachzimmer entzünden konnte. Ein Docht mit warmer Flamme gab ihr ein anheimelndes Gefühl.
Sie rückte ihr Bett schurrend ein wenig näher an Salpico heran, schlüpfte unter die Decke. Warm war anders. Ihre Zehe waren wie eingefrorene kleine Zapfen und Eisblumen schmückten gläsern das Fenster.
„Wann hat Phexdan denn die Natter verlassen?“ Sorgte sie sich..?
„Ach.. so vor einer Stunde vielleicht.“ Das tulamidische Gesicht ihr Gegenüber zeigte kaum eine Spur von schlechtem Gefühl.
Rastlos linste sie immer wieder zur Tür.
„Am liebsten würde ich nachsehen, wo er sich schon wieder rumtreibt.. Er kennt Gareth kaum. Er weiß nicht wie gefährlich eine Großstadt bei Nacht sein kann..“
Der Brabaker zog einen Schmollmund. „Jetzt bin ich extra mit dir hochgekommen, damit du nicht alleine bist..“
Gerade im Aufstehen begriffen, um den Phexgeweihten irgendwo im Labyrinth Gareths zu suchen, hielt sie inne.
Salpicos Worte versetzten ihr einen zarten Stich ins Herz. Er hatte Recht. Er hatte dafür gesorgt, dass sie nicht alleine war.
Und jetzt wollte sie ihn alleine lassen..? Wegen was? Wegen eines eigenbrödlerischen Herumtreibers, der seinen Kopf ohnehin aus jeder Schlinge zu ziehen vermochte?
Wegen eines Fuchses, der nicht einmal daran dachte die Füchsin zu fragen, ob sie ihm ihre Stadt zeigen konnte. Die geheimen Winkel, die interessantesten Plätze, die vielversprechendsten Ziele.
Er war immer ohne sie, auch wenn er bei ihr war. Und trotzdem hatte dieser Dieb es in Grangor geschafft ihr Herz zu stehlen, wenn auch nicht ihre Unschuld.
Sie lächelte den nekromantischen Freund sanft an. „Ich werde bleiben. Schlafen wir, Picchen.“
Und sie blies das Licht aus, um den Raum in die Finsternis zurück zu werfen.