Gareth 14 (Neferu)

Kategorien: 1013 BFDer Puls der StadtFeqzjianGarethNeferu
Zeitraum: FIR 1013

Da unten, abgeschieden von der Welt hatten sie noch lange miteinander gesprochen.
Die kleine zylindrische Enklave für diebische Jünger des Nachtrichters war wie eine schützende Globule in deren Dunkelheit Mauern eingerissen worden waren, die sich im Laufe der Jahre aufgebaut worden waren.
Kaum, dass dieses hinderliche Gesträuch zwischen ihnen beiden niedergerissen war, war das freiheitliche Gefühl allpräsent.

Die Hexe fühlte sich in redseliger Stimmung und empfand, ohne viel zu sehen, eine Verbindung zu Phexdan, die Vesper schon so lange gesucht und immer vermisst hatte.
Vielleicht war es nicht einmal nur Phexdan, dem sie alles gesagt hatte, was ihr lastend auf der Seele lag. Vielleicht sprach sie auch mit dem Eigentümer des kleinen Schreins, dessen
munteres Lachen sie wie ein Zeichen in sich zu hören glaubte.
Ja, möglicherweise verließ jedes Wort so leicht die Lippen, weil sie beide da waren, wo sie hingehörten. In den schützenden Schatten, unter dem direkten Blick ihres göttlichen Herrn.

Nefs Zunge sprach von dem Mädchen Efferdlieb und den Bemühungen, ihr eine vielversprechende Zukunft zu garantieren.
Sie erzählte, dass sie das Gefühl hatte, die gesamte Kanalisation sei ein Fingerzeig Phexens und sie auf dem besten Wege, das Rätsel um die Chiffrierung vom Dachstuhl zu lösen – bei Stoerrebrandt.
Und obwohl Neferu erwartet hatte, dass sie erst dann zufrieden sein würde, wenn der Redeanteil von Phexdan dem ihren entsprach, war sie doch im Einklang, wenn er hin und wieder einige Sätze einwarf und ihr zeigte, dass er da war und zuhörte.

Ihre Worte waren stockender gekommen, als sie davon berichtet hatte, wie seltsam das Gefühl war, dass Zerwas plötzlich wieder gegenwärtig in ihrer aller Leben stand. Sie hatte es sich so sehr gewünscht und jetzt, als der kaum zu erhoffende Zustand eingetreten war, musste sie zugeben, mit der Situation weniger gut umgehen zu können, als sie von sich selbst erwartet hatte.
Es wurde nicht leichter dadurch, dass Zerwas zwar bei ihr sein wollte, aber ihre Nähe mied. Er verkümmerte zum wachenden Adlerauge im Hintergrund, zu einem stoischen Beschützer, der sich im Hintergrund hielt. Und wenn sie versuchte, nach ihm zu greifen, wich er aus.

Und dann verstand sie, warum es so wichtig gewesen war, dass sie versucht hatte, den Halbmaraskaner zu begreifen, ihn zum Antworten zu bringen.
„Sobald du die zwei Wochen Perainetempel hinter dir hast, werde ich Gareth verlassen.“ hatte er ihr eröffnet.
Was sie zuerst wie ein Donnerschlag Rondras getroffen hatte, war zur Erleichterung geworden.

Denn nun konnte sie es verhindern.
Bevor sie sich noch über den Umstand Gedanken machte, dass all ihre Handlungen in einer Kettenreaktion Ereignisse auslösen würden, neigte sie sich im Schneidersitz vor und schlang die Arme um ihn.
„Ich will nicht, dass du gehst…“ hatte sie reglos gewispert, ehe sie ihm einen unschuldigen Kuss stahl. Doch sie zog sich zurück. Denn sie wusste, es war falsch.

Als sie aus der Kanalisation hervorkamen, war es dunkel. Der Wind heulte und wirbelte vereinzelte Schneeflocken durch die kalte Luft.
Draußen wartete Zerwas. Er wirkte besorgt, besah sich ihre Gestalt eingehend, als würde er eine Wunde geradezu erwarten.
Sie wusste, er musste den beißenden Gestank nach Unrat und Fäkalien, den Dunst der Kanalisation an ihr riechen.
Ob er auch die Spur des kurzen Kusses auf ihrem Mund roch?
Unwillkürlich schob sie die Fingerspitzen aus der schützend warmen Kleidung und berührte ihre Unterlippe.
Phexdans Worte hallten in ihren Gedanken wider. Ich will dir meinen Garten zeigen, ich wecke dich in der kommenden Nacht.
Nachts? Warum war es so wichtig, dass er ihr sein kleines Gärtchen unterm Sternenhimmel zeigte?
Er hatte geheimniskrämerisch darauf beharrt, also hatte sie zugesagt.
„Ist alles in Ordnung?“ Zerwas maß sie mit besorgt-kontrollierendem Blick. Seine Unruhe war ihm anzumerken.
„Es ist Phexdan. Er… hat einen Garten. Er will ihn mir diese Nacht zeigen.“
Der Vampir runzelte die kalkweiße Stirn. „Einen Garten? Im Winter? Wie soll dort etwas wachsen – es ist viel zu kalt.“
Sie musste schwach schmunzeln.

~
Phexdan hatte sie in der Nacht tatsächlich geweckt, was zu erwarten gewesen war. Er konnte sehr pflichtbewusst und pünktlich sein, wenn es ihm um Dinge ging, die er persönlich spontan dazu auserkoren hatte, wichtig zu sein.
Auch wenn sie es mittlerweile über hatte, dass er aus jeder kleinsten Kleinigkeit ein tiefes, zu ergründendes Geheimnis machen musste, so liebte sie ihn in diesem Augenblick, als er ein Spiel daraus machte, sie zu seiner Blumenoase im Winter zu führen. Sie war gebeten worden, ihre Tuchrüstung anzuziehen und dann hatte er sie über einen Pfad geführt, der nicht über den Boden Gareths führte, sondern über seine vereisten Dächer.
Zwischen drei unscheinbaren Häusern Nardesheims lag ungesehen ein dreieckiges Fleckchen Erde, an dem kaum Schnee lag.
Die Wärme der aneinandergeschmiegten Hauswände und der anheimelnde Schutz der Dächer machte dieses unzugängliche Stück Gareth zu etwas besonderem. Kein Fenster ging in diesen winzigen Hof auf und keine Tür. Man konnte den Garten des Füchschens einzig über den Dachweg erreichen.
Und da waren sie nun. Nef außer Atem, Phexdan in geübter Kondition.
Sie hielt sich die Seite, während Dajin durch den Hof tobte und sich ein paar Tausendfüßler unter einem Blumentopf hervorklaubte, deren Schicksal besiegelt war.

Der Sternenhimmel, das Antlitz der Nacht schickte den Schimmer seiner schmückenden Perlen hinab auf Dere und tauchte die zwei Phexjünger und den wenig in die Szenerie passenden Koboldmaki in milchig kaltes Nachtlicht. Schmatzend verzerrte das großäugige Geschöpf die eiweißhaltige Krabbelkost.
Wie ein Künstler, der ein Stück vorbereitet hatte, präsentierte Phexdan Nef ein Stück noch dampfende Scheiße auf einer Schippe.
Wortlos beobachtete sie ihn, noch immer schnaufend – sie nahm sich vor, sich aktiver körperlich zu betätigen, die Stiche in ihrer Seite unterschrieben diesen Entschluss – ohne einen Gedanken zuviel an den frischen Kot zu verschwenden.
Liebevoll düngte und wärmte der Zottelkopf seine Pflänzchen damit.
Soviele waren es gar nicht, lediglich drei an der Zahl. Er hatte sie in mit Stoff isolierten Töpfchen nah an eine Hausmauer geschoben.
Sie waren zwar ein bisschen mickerig, aber das durften sie auch sein, immerhin hatten sie es geschafft im Winter Triebe zu schlagen.
Neferu hingegen fror. Fast schon sah der nahezu verblassende Hitzedunst der frischen Würste verlockend warm aus…
Sie biss die Zähne zusammen, um nicht zu bibbern und wunderte sich gleichzeitig, dass der sonst so verfrorene Halbmaraskaner, vergnügt seine Pflänzchen pflegte, anstatt sich über beißende Frostfurunkeln zu beschweren.
Die rote Phexgeweihte legte den Kopf in den Nacken und betrachtete das Glitzern und Leuchten am Gewand der Dunkelheit über ihr. Wie wunderschön Phexens Reich der Nacht war.
Eine Wolkenkette, die dem Mond bisher verwährt hatte, an dem Moment teilzuhaben, löste sich durchwirkt vom Wind auf und erhellte das kleine erdige Dreieck.
„Sieh her…!“ Phexdan stellte die dritte Pflanze rasch direkt in die Mitte, wo ihr geschlossener Blütenkelch beschienen von Mada in Bewegung geriet.
Soetwas hatte die Garetherin ihren Lebtag noch nicht gesehen. Ein schöner dunkelblauer Blütenkelch im Winter. Und dann noch einer, der sich öffnete!
Wo Phexdan solch exotische Flora erstohlen haben mochte…?
„Sieh genau hin! Jetzt gleich ist es soweit!“ Er flüsterte erregt und lächelte sie an wie ein begeisterungsfähiger Junge mit Dreitagebart.
Wie ein winziger Spiegel offenbarte die sonderbare Pflanze ihr Inneres. Nicht nur, dass sie die Farbe des taglosen Himmels trug, die zarten Blütenblättchen zierte ein Teppich aus weißgelben Punkten. Ein eigenes kleinen Sternenzelt zeigte die Blume da…
Unbewusst berührt lächelte Neferu versonnen. Sie wusste nicht warum, aber als sie sich vorbeugte, den Blütenkelch mit seinen Phexdiamanten darauf zu betrachten und dann Phexdan ansah, der sich an der Pracht dieses tapferen Blümchens wie ein Kind staunend erfreute, stiegen ihr Tränen in die Augen, die sie so schnell wegblinzelte, wie es ihr möglich war.
Sie konnte nicht auf ihn verzichten.