Cyruion

Zackenberg 1 (Garion) (PER 1013)

Mit trübem Blick betrachtete er die Wand links von sich. Hinter ihr lagen Vitus und Cyruion und schliefen. Oder jedenfalls hoffte er das. Vor einer guten halben Stunde war er aufgewacht und hatte einfach keinen Schlaf mehr gefunden. Also hatte er die Wache abgelöst und sich seinen Gedanken hingegeben. Aus irgendeinem Grund beschäftigte ihn die Sicherheit seiner Begleiter heute Nacht besonders. Ein leise Stimme in seinem Kopf sagte ihm, dass Menschen selten waren, wie sie schienen – und niemals besser. Was also hatte er von dem Herrn dieser Burg zu erwarten? Von einem bequemen, vergnügungssüchtigen Answinisten? Am heutigen Abend hatte nur eine dralle Blondine auf seinem Schoß gefehlt, um den Eindruck des Lebemanns endgültig zu festigen.

Beide Hände auf den Knäufen seiner Klingen – jede auf einer Seite seines Waffengurts – trat er an das Turmfenster heran und sah hinaus in die Nacht. Im Grunde wussten sie nichts über diesen Ort. Er war abgelegen, klein und gemieden. Der kühle Hauch eines schneidenden Windes streifte sein Gesicht.
Warum hatte der Traviageweihte ihnen nur so ungern das Gastrecht gewährt? Warum war das Verlöbnis ihres…Auftraggebers…derart zerfallen? Den Blick nach draußen in die schwarze Tiefe gerichtet, die nach wenigen Metern den Erdboden zu verschlucken schien, schüttelte er den Kopf. Warum genau waren sie eigentlich hier? Nichts an dem bisher erlebten rechtfertigte seine Sorge. Ein trinksüchtiger Vater, der kurzfristig seine Meinung ändert, weil ihm das von Weingeist benebelte Hirn suggerierte Answin von Rabenmund sei der einzig wahre Herrscher des Mittelreiches und nur Answinisten waren gute Partien für seine Tochter. Das mochte alles sein. Der ganze Grund für ihre Anwesenheit fern der Heimat.

In seinen Ohren dröhnten die leisen Geräusche, die ein vollständig im Schlaf liegendes Haus von sich gab. Ein Knacken hier, ein Bröckeln dort. Waren das Schritte? Einen Augenblick sah er zur Tür hinüber, bis das was er für Schritte gehalten hatte, nahtlos wieder verhallte. Die Momente in denen Stille den Kopf klärte waren in den letzten Jahren stetig weniger geworden. Aber jede Nachtwache lud dazu ein. Er sah zu dem Bett hinter sich – zu William und Tarambosch. Beide schliefen friedlich, keiner von ihnen störte sich an der Nacht unter einem fremden Dach. „Ohne Heimat sein heißt Leiden.“, sagte Fjodor Alrikowitsch Sjerpenkewski. Konnte es das sein, was ihn umtrieb? Fehlte ihm das heimatliche Salderkeim? Oder Schossko?
Wieder sah er zu den beiden Schlafenden. Dann schüttelte er den Kopf. Nein – das war es sicher nicht. Wenn er dem Gefühl des Heimwehs nachspürte, dann war dort nichts. Und er hatte es schon immer eher mit Baron Ulllob Rakorium vom Eberstamm gehalten, denn mit Sjerpenkewski. „Wir sichern uns die Heimat nicht durch den Ort, wo, sondern durch die Art, wie wir leben.“

Wenn ihn aber kein Heimweh aus Borons Armen getrieben hatte – was dann? Mit leisen Schritten wechselte er den Raum. Der leere Türrahmen, der die Schlafräume voneinander trennte hatte nicht einmal einen Vorhang. Es gab allerdings von beiden Seiten Schränke, die man im Fall der Fälle vor die Öffnung schieben konnte, sodass aus zwei Räumen einer wurde. Sein Blick traf auf die Zugangstür zum zweiten Raum, ehe er auch hier zu den Schläfern sah. Ein Elf und ein Mensch, beide männlich und tief im Schlaf. Beide sicher.
Wie um sich dieses Umstandes zu versichern ging er zu der Tür hinüber und prüfte ihren Riegel, der fest an Ort und Stelle saß. Dann sah er wieder zu der Schlafstätte, wo sein Blick an dem Menschen hängen blieb. Vitus war ein Deserteuer, so viel war sicher, aber er war kein schlechter Mensch, niemand, dem man böse Absichten unterstellen wollte. Überhaupt geschah alles was aus Liebe getan wurde jenseits von Gut und Böse. Sicher war es gefährlich, verantwortungslos und kurzsichtig seinen Wachposten wegen einer Frau zu verlassen. Aber böse? Nein. Böse war es nicht.
Nachdem er noch eine Weile die Gesichter der beiden Schlafenden betrachtet hatte, seufzte er tonlos und kehrte durch die zähe Dunkelheit der beiden Räume zurück in das andere Schlafzimmer. Auch dort war alles still; die Tür verriegelt. Die Waffen lagen nahe bei den Schlafenden, alle waren auf einen Überfall vorbereitet. Alles war wie immer. Mit einem Angriff musste man jederzeit rechnen.

Auch als Schwert der Schwerter.
, dachte der Ardarit. Seine Nackenhaare stellten sich lautlos auf und ein kalter Schauer jagte seinen Rücken hinab. Ohne es zu beabsichtigen hatte er den Finger direkt in die Wunde gelegt. Das Gefühl der Unruhe wuchs in seiner Brust, als in seinem Kopf die Worte Dragosch von Sichelhofens nachhallten.„Ich war zugegen, auf dem diesjährigen Adelskonvent vor wenigen Wochen in Gareth, an dem unser hochgeschätztes Schwert der Schwerter, das wie ein Vater für alle Mitglieder unseres Bundes als leuchtendes Beispiel hier in Perricum, dem Hauptsitz unseres Glaubens, über Jahre unbeugsam residierte, niedergestreckt wurde von einem ungesehenen Angreifer mit einem Bolzen von hinten durch seine Brust.“
Gemurmel hatte den Mann unterbrochen, Raunen war durch die Halle des Tempels in Perricum gegangen und hatte beinahe überdeckt, was der Mann dann gesagt hatte. Was Garion aus irgendeinem Grund irritiert hatte. „Es trug sich zu, dass ich es war, der den langjährigen Repräsentanten in seinen Armen hielt, als er den letzten Atemzug auf Dere tat und die letzten Worte sprach, ehe Golgari seine Seele mit sich nahm. Demütig beuge ich – Dragosch von Sichelhofen – mich dem letzten Willen des Schwerts der Schwerter und übernehme das heilige Amt, die Verpflichtungen Viburn von Hengisforts und die Ehre an seiner statt fortan die Rondra-Kirche Aventuriens zu vertreten! Als neues Schwert der Schwerter hier in Perricum!“
Ein schaler Geschmack breitete sich in Garions Mund aus, sodass er einen raschen Schluck aus seiner Feldflasche nahm und ihn hinunterspülte. Die letzten Jahre hatten die Welt ins Wanken gebracht. Borbarad sollte zurückkehren, wenn die Rollen der Beni Rurech Recht hatten, das Schwerter der Schwerter wurde ermordet und Hal war tot. Die Zeiten für einen jeden gläubigen Menschen auf diesem Kontinent waren schlecht.

Mit düsteren Gedanken kehrte er ans Fenster zurück und starrte ungnädig nach draußen, als könne das die Finsternis in Welt und Geist zugleich vertreiben. Als die Stille auf ihm zu lasten begann, hörte er die Stimme in seinem Kopf erneut. Lauter diesmal, klarer zu erkennen. Ein voller Bass, eingefärbt von Zuversicht und der Belustigung die Ungläubigkeit über das Verhalten anderer mit sich bringt. Er erkannte die Stimme und vor seinem inneren Auge tauchte ein blonder Rondrageweihter auf. Er trug lange, offene Haare und einen Vollbart. Trotz der schweren Kettenrüstung hatte er die Arme geradezu leicht über seinem Wappenrock verschränkt. An seinem Kragen lag die einfache Schwertfiebel eines Knappen der Göttin. Seine Gnaden Gunvald von Njördhall hatte sich während der ganzen Ausbildung Garions seine thorwalsche Lebensart erhalten. Zwar hatte er Rondra immer voll aufrichtiger Inbrunst verehrt, aber nichts und niemand hatte seine Zuversicht und seine offene Art brechen können. Er hatte jedem Kirchenmitglied – gleich welchen Standes – lachend auf die Schulter geklopft als sei es Mitglied seiner Otta. Und niemals hatte er sich mit gutmütiger Kritik zurückgehalten. Ein Schlag ins Gesicht, den ihm niemand übel nahm – weil er recht hatte. So wie jetzt.

„Die Zeit ist schlecht, Garion? Wohlan. Du bist da sie besser zu machen.“

Perricum 5 (Cyruion) (PER 1013)

Frühmorgens rang sich der Auelfenmagier ein Gähnen ab. Am Vorabend hatte er Thali beim Essen zugesagt, dass er sie selbstverständlich zur Morgenandacht begleiten würde. In einem kurzen Moment fragte er sich jedoch, ob es nicht klüger gewesen wäre doch auszuschlafen. Die Tage auf Reisen hatten an ihm gezehrt, obwohl der Delegation um die Meisterin der Senne Nord stets überall ein ausreichendes Quartier zur Verfügung stand.

Nach einem kurzen Stocken, einem beinahe irritierten Blinzeln, schien die Müdigkeit dann jedoch wie aus dem Gesicht des Schneiders gewaschen. Sicherlich wäre es komfortabel und schön, lange zu schlafen und zu regenerieren, doch hatten schon seine Eltern wie die Magister auch betont, dass nur der frühe Vogel den Wurm fangen könnte. Dieser Wurm hieß Perricum und schien es wert zu sein, kurz nach Sonnenaufgang den Tag zu beginnen. Es gab schließlich viel zu tun.

Doch musste sich der Elf zunächst des naheliegenden Problems zuwenden. Zwar empfand er den Gedanken, den Tag wie der Vogel anzufangen, generell als löblich… allerdings musste er sich dafür erst von seinen Fesseln lösen. Er hatte Narond am Abend zuvor gebeten, ihn besser zuschnüren, als ein Päckchen das er dem Beilunker Reiter übergab. Cyruion erhoffte sich davon nicht zur späten Stunde durch die Burg zu wandern und sich womöglich, versehentlich, das Genick zu brechen. Ein solcher Unfall wäre nicht schön und hätte die Stimmung zusätzlich getrübt. Der Rondra-Geweihte war der Bitte entsprechend nachgekommen.

Unglücklicherweise war Narond jetzt nicht zugegen, wie noch zur Zeit der gemeinsamen Reise. Auf umständliche Weise hatte Cyruion die Tür mehr mit dem Ellenbogen geöffnet, um dann nur mit einer Hose bekleidet in der Burg zu stehen.

Narond?“, fragte er in die Umgebung und sah sich um. Keine Reaktion.

Der Gedanke den ganzen Tag in Fesseln durch die Stadt zu laufen, ohne Hemd und ohne Schuhe, beunruhigte den Auelfen zusehends. Zumindest solange, bis ihm einfiel, dass er derzeit auf einer Burg gastierte und diese, so stand es in den Büchern, voll von Leben war. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis ein Knecht dem Elfen zur Hand gehen und seine Fesseln lösen konnte. Die verstörte Miene des unbekannten Knechts bemerkte der Elf wenn, dann nur am Rande und ging nicht weiter darauf ein.

Vielleicht war es unklug gewesen zu sagen, dass sein Freund ihn gefesselt hatte.

Den Kopf von der einen zur anderen Seite wiegend und leise summend, kleidete sich Cyruion kurz darauf an und begab sich in den Speisesaal des Gästehauses. Thali war noch mit ihrem Frühstück beschäftigt, doch erwartete sie ihn bereits. Die anderen, Narond und Rondrald, sah er nicht. Lediglich einige Löwenritter hatten sich zu dieser Stunde noch im Raum eingefunden. Doch die Gesellschaft der Geweihten genügte ihm vollkommen. Sie tratschten, ehe Thali fast schon beiläufig erwähnte, dass das neue Schwert der Schwerter am kommenden Tag eine Ansprache im Rondra-Tempel halten würde.

Das war interessant und er musste dort hin, denn wie oft konnten die langlebigeren Elfen mit den Menschen zusammen schon ein solches Ereignis begehen? Wer das neue Schwert der Schwerter wohl war, ob er einen guten Blick auf die Person erhaschen konnte, die bald das Leben von Thali, Garion oder Narond maßgeblich beeinflussen sollte und, oder konnte?

[…] Eine halbe Stunde später befanden sich die Beiden im Rondra-Tempel von Perricum. Allzu viele hatten sich am morgen nicht zur Andacht hierher begeben, in diesen riesigen Prachtbau. Das Gebäude hatte etwas an sich, das Cyruion in nahezu jedem Augenblick ins Staunen versetzte. Für gewöhnlich fielen Rondra-Tempel, so viel wusste er, nicht derartig monumental aus. Rondra war schlichter, weniger prunkvoll – Rondra war nicht Praios. Und dabei hatte er bis zu diesem Zeitpunkt nur einen Bruchteil dessen gesehen, was sie Tempel nannten. Überall lauerten verschlossene, teilweise bewachte Türen. Bei all den Gedanken um das Heiligtum verpasste der Auelf, in Gedanken schwelgend, beinahe die Andacht. Selbige nahm jedoch kaum fünf Minuten in Anspruch, ehe die Gläubigen bereits wieder ins alltägliche Leben entlassen wurden.

Tatsächlich hatte er sich in diesem Tempel unter einer Andacht mehr vorgestellt, als ein kurzes Gebet an die Göttin Rondra. Doch pflegte man selbst in Perricum wohl noch die bekannten Tugenden und ließ nicht alles ausschweifen, so wie beim Tempelbau.

Sachte hoben sich seine Schultern an und an Thalis Seite verließ er den Tempel. Sie hatte anderen, unbekannten Geweihten und Löwenrittern bereits im Speisesaal zu verstehen gegeben, dass sie nach der Andacht noch etwas bummeln wollte. Cyruion hatte sich selbstverständlich angeboten, ihr Gesellschaft zu leisten. Ohnehin war sein Vorhaben für diesen Tag, etwas von Perrcum zu sehen.

[…] Gemeinsam flanierten die Beiden durch die Stadt, allen voran auf der Suche nach einer speziellen Gewandung für Thali. Soweit er wusste, handelte es sich dabei um eine Kombination aus Bluse, Tuch und Unterrock, was der gemeine Aranier als Sari bezeichnete. Er selbst kannte die aranische Mode nicht sonderlich gut. Selten verirrte sich ein Mann aus dem Süden nach Donnerbach und in Gareth sah man sie ebenfalls selten, doch selbst wenn, kamen sie dann zumeist eher aus anderen Regionen als Aranien.

Cyruion ließ die Eindrücke auf sich wirken, sich von der Perricumer Mode einnehmen. Insbesondere ein blauer Kaftan samt Tunika mit einer Zierrankenborte weckte dabei sein Interesse, ein Stück von guter Qualität und außerdem für nur acht Dukaten zu erwerben. Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte er dem Aranier das Geld übergeben und sich über die neue Inspiration, sowie Bekleidung für wärmere Tage oder Aufenthalte im Süden gefreut.

Thali hingegen hatte weniger Glück. Zwar stieß sie beim selben Aranier auf den herbeigesehnten Sari, doch stand ihr dieser, wie Cyruion und sie rasch erkannten, leider nicht besonders. Die Geweihte sah dem jedoch gelassen entgegen: Hauptsache sie hatte das versucht, was sie schon immer wollte. Aufmunternd lächelte der Magier seiner Begleiterin zu und versicherte, dass er schon etwas anderes für Thali finden oder kreieren würde, sobald sie wieder in Donnerbach waren.

[…] Eine Dreiviertelstunde später begaben sich Thali und Cyruion auf den Weg zurück Richtung Löwenburg. Der auelfische Schneider war an einem weiteren Stand auf Farben und Stoffe gestoßen, wobei er lediglich bei zwei Rechtsschritt blaugrauen Leinenstoffes nicht widerstehen konnte. Mit diesen Lagen wollte er sein Reisegewand, um sich vor Regen oder ähnlichem zu schützen, zumindest um eine Art von Gugel ergänzen. Es hatte schon seine Vorteile Schneider zu sein.

Dann jedoch stockte Cyruion, auch Thali hielt inne und sah fragend zu dem Elfen neben sich. Nur den einen oder anderen Moment hatte er bislang in der Nähe von Garion und seinen Begleitern verbracht. Es hatte ausgereicht, um sich die Namen und Gesichter der Personen zu merken, wie auch ihre grobe Berufung. Geweihter, Seefahrer, Heiler. Der Blick des Elfen aus Donnerbach hing an einem vergilbten, der Witterung zum Opfer gefallenen Steckbrief in einiger Distanz. Während er sich diese eine Sache näher ansehen wollte, verabschiedete sich Thali und begab sich alleine zurück zur Burg.

Cyruion hingegen trat zielgerichtet auf das Brett zu, an dem eine Menge Steckbriefe angeschlagen waren. Ein wenig untergegangen, mittendrin, offenkundig älter und länger nicht gepflegt: der Aushang, der ihm aufgefallen war, der ihn, je länger er ihn betrachtete, nur mehr an Vitus erinnerte.

Diese Augenpartie.

Die Brauen zusammenziehend wanderte sein aufmerksamer Blick weiter hinab.

Vitus Arres
gesucht wegen Fahnenflucht

Vitus Arres, so war doch der Name von Vitus? Vielleicht war es besser derlei zu melden. Rasch sah er zur Seite, doch erblickte er keinerlei Wachen. Die Ohren des Elfen zuckten jedoch. Auffällig war, dass rechts vom Brett eine Gasse abging, aus der eine beachtliche Lautstärke drang. Nichtsahnend, wohin er sich begab, folgte er dem Weg – und fand sich schließlich auf einem Innenhof wieder.

„Entschuldigung?“, fragte er jene Person, die von allen am lautesten schien.

Ein zackiges „Wer seid Ihr und was wollt Ihr hier?“ später, begann der Elf sich zu öffnen.

„Ich glaube, ich habe jemanden von Euren Steckbriefen gesehen.“

Umgehend wurde er gebeten, der unbekannten Gestalt zu folgen und wurde mit einigen, wenigen Fragen gelöchert. Um welche Person es ging, wann er diese zuletzt gesehen habe, mit wem…

„Kann ich eine Abschrift haben?“

„Eigentlich wollte ich das erst einmal prüfen, ob er das ist.“

„Die Augenpartie auf dem Bild gleicht seiner sehr.“

„Es geht um Vitus Arres.“

„Er reist zusammen mit einem Rondra-Geweihten, Garion.“

„Die beiden wohnen auf der Ordensburg der Ardariten.“

„Das letzte Mal habe ich ihn heute Morgen gesehen, bei der Andacht.“

„Ich habe ihn erst gestern am Tor kennengelernt.“

Danach wurde der elfische Schneider bereits entlassen und verließ den Hof mit einer Abschrift des Steckbriefs in der Tasche. Während er aus dem Hof noch lautes Übungsgetöse vernahm, blieb ihm die Zeit, seine Vermutungen zu prüfen. Falls er richtig lag, war es richtig die Stadtwächter von Perricum zu informieren. Er hätte zuvor mit Garion sprechen können, aber dann würde Vitus vielleicht fliehen. Er wurde hier gesucht. Er musste ein Verbrecher sein, auch wenn dem Elfen nicht klar war, wie schwer Fahnenflucht bei den Menschen generell oder insbesondere in Perricum überhaupt wog.

[…] An der Ordensburg der Ardariten angelangt, teilte man ihm mit, dass Garion gerade nicht zugegen wäre, doch einige andere bereits im Speisesaal auf ihn warteten. Cyruion packte die Gelegenheit beim Schopfe, zunächst seine Errungenschaften vom Markt in sein Zimmer auf der Löwenburg zu bringen. Der Weg war glücklicherweise nicht besonders weit.

Anschließend begab er sich zurück zur Ordensburg. Dort angekommen, traf er neben William und Vitus auch auf eine Frau, die Ness genannt wurde, und die sich offenkundig interessiert mit William beschäftigte. Vitus erzählte, dass William offenbar den Namen der Widersacherin Efferds mehrfach ausgesprochen hätte und nun beschlich den muffigen Seefahrer das Gefühl, dass er von etwas verfolgt wurde. In einem weniger ernsthaften Moment hätte er sich vielleicht noch einen Scherz abgerungen, dass es sich dabei bestimmt nur um einen Vertreter für Badeöl handelte, der William als Goldgrube betrachtete.

Doch soweit Cyruion wusste, waren die erzdämonischen Widersacher ein nicht zu verachtendes Problem und entsprechend schilderte er auch das, was er über sie und ihre Wirkung zu sagen wusste. Dass sie nach der Seele des Betroffenen angeln würden; dass sie überall Köder auslegten und selbst etwas Gutes, das demjenigen passierte, zu noch viel schlechteren Dingen führen konnte und seine Seele am Ende in den Niederhöllen landete; dass der Tod bei weitem nicht das Schlimmste war, was einen erwartete.

Einige Minuten später kam auch Garion hinzu, der William mit Tarambosch zum Efferd-Tempel geleiten wollte. Jene, die Efferd dienten, konnten vielleicht die beste Hilfe leisten, wenn es doch um seine Widersacherin ging. Bevor sie jedoch aufbrachen, nahm der Auelf den Ardariten zur Seite und zeigte ihm die Abschrift des erhaltenen Steckbriefes.

„Ich glaube das ist Vitus.“

„Ich habe die Stadtwache bereits informiert.“

„Von dort habe ich die Abschrift. Es hing in der Stadt aus.“

Der Geweihte kräuselte die Stirn und zog die Brauen zusammen. Cyruion konnte sich nur vorstellen, was in ihm vorging. Erst diese Probleme mit William, der sich einer Erzdämonin aus unerklärlichen Gründen anbiederte und ihren Namen offen aussprach, dann ein altes Problem das den Heiler einholen würde.

[…] Es vergingen einige Minuten, in denen Räume verlassen und weitere Worte gewechselt wurden. Und noch ehe Cyruion auf die Löwenburg zurückkehren konnte und die ganze Gruppe um Garion die Burg in Richtung Efferd-Tempel verlassen hatte, wurden sie von einem Löwenritter gestört, der tatsächlich den Besuch der Stadtwache ankündigte. Nach all den Jahren schienen sie weiterhin interessiert daran, solche wie Vitus dingfest zu machen.

Vitus stellte sich, dennoch legten sie ihm die Eisen an.

Vitus stellte sich, dennoch würde er die nächste Nacht in einer Zelle verbringen.

Vitus stellte sich, doch Cyruion fragte sich, ob es nicht klüger gewesen wäre, zunächst mit Garion über die Angelegenheit zu sprechen, statt doch direkt zur Wache zu gehen. Besonders im Hinblick auf das Problem mit William war die Sache um Vitus gerade ein unnötiger, kalter Tropfen auf einen heißen Stein.

Hätte er die Angelegenheit nicht anders, nein, besser klären können?

Vielleicht gaben sie ihm deshalb, für gewöhnlich, nur kleinere Aufgaben am Seminar.

Mit gemischten Gefühlen machte sich Cyruion auf zur Löwenburg, in sein Zimmer, in den Speisesaal, um dort den restlichen Abend in der Nähe seiner ursprünglichen Begleiter zu verbringen. Am nächsten Tag würde es, so Thali, gegen Abend die Ansprache des Schwertes der Schwerter geben und lange davor sollte in Perricum über Vitus‘ Zukunft entschieden werden.

Er war ein Verbrecher – aber auch ein Freund von Garion.

In dieser Nacht waren die Fesseln gelöst, doch die Tür verschlossen.

Ein Glück für den Elfen, der das erste Mal seit Reisebeginn einen sehr bewegten Schlaf hatte…

Perricum 4 (Cyruion) (PER 1013)

Einige Minuten hatten die Geweihten und ihr elfischer Begleiter an den Toren von Perricum zugebracht und waren dabei auf eine weitere Gruppe gestoßen, in deren Mitte niemand geringeres stand als Garion von Arivor. Die Mundwinkel des Auelfen zuckten vor Freude nach oben und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Der Geweihte war ebenfalls in Perricum, bei diesem Anlass wohl keine Überraschung, aber dass sie sich ausgerechnet am gewaltigen Stadttor begegneten, konnte doch als ein glücklicher Zufall betrachtet werden.

Noch ehe er seinen alten Freund in die Arme schloss, warf Cyruion einen Seitenblick auf die Weggefährten des Bronnjaren. Er hatte seine Vorliebe für sonderbare Mitstreiter offenbar beibehalten, denn dem Elfen wurden nacheinander ein Heiler namens Vitus Arres, der für einen von seiner Berufung erstaunlich blass um die Nase war und zu kränkeln schien, und ein kleiner Angroschim namens Tarambosch vorgestellt. Und dann war da noch William, dem Cyruion begegnet war, der schon aus der Ferne wiederholt nach dem Ardariten gerufen hatte, als sie seiner Gewahr wurden. Immerhin schuldete Garion ihm noch bare Münze oder war ein alter Freund.

Für den Auelfen stand bei William eines im Vordergrund: der Geruch. Leider haftete an Garion und seinen Gefährten ein ähnlich bedrohlicher Geruch, doch konnte ein Schluck aus dem Wasserschlauch den Magen, die Galle und womöglich auch andere Körperteile des Elfen zunächst beruhigen und er sich beherrschen, nicht noch mehr von sich vor Perricum abzusondern.

„Ihr solltet ein Bad nehmen“, empfahl er der Gesellschaft bereits nach kurzer Zeit.

Wie hielten es diese Menschen nur miteinander aus?

Störten sie sich nicht an diesem, gerade wenn er an William dachte, bestialischen Geruch?

Vielleicht war es bei einigen Menschen so, dass der mit dem strengsten Geruch am Ende das Mädchen bekam, doch von den Geweihten um Ardare, Donnerbach und anderen Städten war er bislang eigentlich anderes gewohnt. Mit verlausten Seefahrern, Angroschim und bornländischen Geweihten hatte er bislang allerdings noch nicht allzu viel zu tun gehabt. Cyruion wurde für einen Moment nachdenklich, während er unweit des Ardariten den Weg fortsetze – wenn auch naserümpfend. Er folgte der Delegation aus Donnerbach bis auf die Löwenburg, wohingegen Garion bereits bei der nahegelegenen Burg der Ardariten abbog und sich die Wege der Beiden, zumindest für den Moment, trennten. Diesen Umstand konnte der auelfische Magier jedoch verkraften, da er ohnehin alle Mühe hatte die Eindrücke von Perricum zu verarbeiten. Eine Burg unweit der nächsten Burg. Perricum drohte den Elfen förmlich zu erschlagen. Alleine die Löwenburg, auf der er Quartier bezog, erweckte den Eindruck von solchem Ausmaß zu sein wie das Dominium. Dazu standen in der Stadt eben noch mehr Burgen. Burgen – oder der, verglichen mit Gareth oder Donnerbach, monumentale, überragende und imposante Tempel der Himmelsleuin.

Ein Rondra-Tempel, der in Aventurien wahrscheinlich seinesgleichen suchte.

In Gareth wäre ein solcher Monumentalbau wahrscheinlich direkt als Stadt der Ehre bezeichnet worden.

Für die hinreichende Erkundung dieser Stadt würde er Wochen, wenn nicht Monate benötigen, so viel war ihm klar.

Auf dem Zimmer angekommen, das eher funktional eingerichtet war und nur einen Ausblick bis zur nächsten Häuserwand bot, ließ sich der Elfenmagier mit Liebe zum Stoff auf der Bettkante nieder und verschnaufte einige Augenblicke, ehe er damit begann sich häuslich einzurichten. Zumindest jene Tage auf der Burg wollte er sich doch wohlfühlen und voll auskosten. Doch mit Garion musste er sich auch treffen. Immerhin hatte der Ardarit gesagt, dass er seit geraumer Zeit nicht mehr mit Lanyana reiste und irgendwann den kleinen Angroschim kennengelernt hatte. Zudem hatten die Ardariten ebenso eine Burg in dieser Stadt, die die Neugier des Elfen weckte. Ob sie wohl ähnlich groß war wie die Burg, auf der er selbst nächtigte und speisen würde?

Perricum stand ihm jedenfalls offen. Doch die Frage, die er noch beantworten musste, war jene nach dem Anfang. Wo sollte er überhaupt beginnen, Perricum und seine Eigenheiten zu ergründen? Die Geweihten, so viel hatten ihm Narond und Thali anvertraut, hätten kurz nach der Ankunft noch eine Besprechung. Damit blieb ihm, der er nur einen Begleiter darstellte, den kirchliche Belange höchstens aus eigenem Interesse betrafen, umso mehr Zeit für sich.

Und da seine Gedanken ohnehin noch um die Burg kreisten, war es wenig verwunderlich, dass er sich tatsächlich zunächst eben jener annahm. Er ließ einige Zeit verstrichen, beim Versuch den bestmöglichen Ausblick von der Burg über Perricum und vielleicht auch auf das Meer zu erhaschen. Viel mehr konnte er an diesem Tag ohnehin nicht mehr tun. Am Morgen darauf gab es eine Andacht, dieser würde er beiwohnen, danach war er wieder für alles offen. Rondragefälliges, ehrenhaftes Tun, Neugier oder Abenteuer. Möglicherweise würde er auch den Heiler von Garion besuchen, wenn sich sein Zustand nicht bessern sollte. Irgendjemand musste dem jungen Volk doch das Handwerk beibringen und obendrein sicherstellen, dass der Heiler in guter Form war, wenn er sich ausgerechnet um einen Freund kümmern durfte.

Federnden Schrittes verließ der Elf, von Neugier geleitet, sein Zimmer, um sich in der Höhle des Löwen umzusehen…

Perricum 3 (Vitus)

Vitus gelangte langsam zurück in die Ordensburg und genoss die Morgensonne auf seinem Gesicht. Er hatte sein Schicksal in die Hände der Götter gelegt und nun war er wieder hier in Perricum. Er hatte seit langer Zeit wieder einer Andacht beigewohnt und konnte seine Gedanken ordnen. Die Schwerter, besonders jenes aus Endurium, würden bei seinem Ableben oder einer Festnahme hier her gelangen. Dieser Tatsache war er sich sicher, besonders wenn er Garion darum bitten würde.

Gemeinsam nahm man das Mahl nach der Andacht in der Ordensburg zu sich. Die Frau mit der Garion sich im Tempel unterhalten hatte, setzte sich zu ihnen und sie stellte sich mit Ness ni Daire vor. William versuchte mit seinem Charme die schöne Ness von sich zu überzeugen. Diese jedoch hatte mehr Augen für Garion und schien ein recht diszipliniertes und kühles Dasein anzustreben. Das Gespräch kippte schneller als Vitus es mit bekam. William sprach von Gottheiten und nannte einen für Vitus unbekannten Namen. An den Reaktionen von Garion und Ness ni Daire erkannte er, es musste sich um eine Gotteslästerung handeln. William wiederholte auf Nachfrage den Namen, als wäre er unwichtig. Ness wäre ihm beinahe mit ihrer Waffe an den Leib gegangen. Jedoch konnte Garion sie gerade noch davon abhalten. Vitus verstand mit Hilfe der Geweihten, dass dieser Name von einem Erzdämon stammt und beim dritten Mal ausgesprochen einer Anrufung gleich käme. Garion entfernte William aus dem Speisesaal und ließ Vitus mit Ness  zurück.

Ness ni Daire zeigte Gefühle, auch wenn es nur Wut war. Vitus erkannte, dass sie sich Sorgen um Garion machte und wurde in diesen Gedanken bestärkt. Ness fragte nach der Reise mit Garion und wie Garion solche Leute kennen konnte. Vitus sah die Liebe in ihr, vielleicht von einer Schwester zu einem Bruder oder gar mehr? Garion und sie kannten sich auf jeden Fall. Sie wollte alles wissen, dabei hatte Vitus nicht viel zu erzählen und wollte sich auf seine Gedanken konzentrieren. Als auch Ness langsam ihren Pflichten wieder nach ging, blieb Vitus in der Ordensburg allein. Er war ohnmächtig einen Schritt aus diesen Räumlichkeiten zu den Straßenwächtern oder Gardisten zu machen. Tarambosch und Garion verließen die Burg, um nach William zu suchen.

Am Nachmittag kam Willian zur Ordensburg und konnte sich mit dem Namen von Garion von Arivor Zutritt verschaffen. Dabei geriet er jedoch an Ness ni Daire. William fühlte sich verfolgt und beteuerte, dass ein Schatten ihn verfolgen würde. Die sonst kühle Ness nahm diese Bedrohung sehr ernst und begann damit für William einen Unterschlupf zu finden. Er sollte mit dem Glauben Rondras geschützt werden. Vitus kam auf William zu, aber er wusste nicht, was er zu ihm sagen sollte. Er versuchte immer wieder Ansätze, ihn zu beruhigen, jedoch schien Vitus mit seiner unausgeglichen Art nicht viel zu bewirken. Vitus beschwichtigte William, dass ihm hier sicher geholfen werden könne. Immerhin beruhigte es ihn sich soweit, dass man sich auf eine Steinbank setzte und auf Ness wartete. Während dieser Zeit kamen Garion, Tarambosch und Cyruion dazu. Man berichtete von Williams Angst und versuchte eine Lösung zu finden. Diese Unterhaltung wurde jäh unterbrochen von Ness, die nun drängte in die Burg in ein Zimmer zu gehen.

Kaum im Zimmer angekommen bat Garion Vitus auf den Flur zu einer Unterredung. Garion zeigte Vitus einen neuen Steckbrief und die Sonne verfinstere sich für ihn. Vitus Gesicht verzog keine Miene mehr und er nickte nur noch. Er hatte im Tempel bereits der Göttin offengestellt ihn zu bestrafen. Man ging in Garions Zimmer in der Burg mit Tarambosch. Garion und Tarambosch schienen angespannt, aber von Vitus fliehen langsam die Sorgen. Seine Reise würde nun hier enden.

Vitus legte die Waffen in Garions Hände mit dem guten Gefühl, dass diese wenigstens noch etwas bewirken konnten. Die Schritte durch die Stadt zur Wache und in die Zelle waren nicht so schwer, wie die Enttäuschung, die er in den Augen von Garion und Tarambosch gesehen hatte. Beim Weg zur Zelle begann es langsam zu regnen. Efferd schenkte William ein Zeichen, dass seine Seele gerettet werden würde. In der Zelle angekommen, die wie zu erwarten nur kleine mit Gittern gesicherte Fenster in der Mauer und eines in der Holztür aufwies, setzte sich Vitus auf den Holzhocker hin. Sein Blick war leer geworden und auf den Boden gerichtet. Er begriff langsam, dass seine Abenteuer hier enden würden.

Der Regen hörte die ganze Nacht nicht auf und das Wasser floss an den Wänden, tropfte vom Fenster her in die Zelle. Diese Geräusche schienen wie Kriegstrommeln zur Hinrichtung. Vitus wusste, dass nach diesem Verrat keine Hilfe oder Anfrage bei Garion oder Tarambosch gerechtfertigt war. Er wollte jedoch eine andere Schuld begleichen und Boromir, seinen alten Weggefährten und Kameraden bei den Straßenwächtern, bei der Verhandlung haben. Damit dieser hören konnte, was geschehen war. Nach dieser letzten Tat waren alle Schulden auf Dere bezahlt und der Weg in Borons Hallen wäre kein schwerer mehr.

Am Morgen erbat Vitus, dass man nach Bormir schicken würde. Bei Bormirs Anblick hätte Vitus lieber einen Schlag ins Gesicht erhalten, als die Worte die er ihm sagte. Jede körperliche Wunde wäre zu ertragen gewesen, aber diese Verletzungen rissen alte Wunden auf und ließen jedes Wort in der Kehle verklingen.

 

Nach diesem Besuch war Vitus kaum im Stande noch über die Zukunft nach zu denken, er dachte an die schönen Tage seiner Kindheit und die Tage als Wächter der Straßen zurück. Er erinnerte sich an Eide und Gesetze vergangener Tage und an die Worte, die er in der Nacht einige Male wiederholte um seiner Schuld gerecht zu werden.

Die Schuld ist mein!
Mit Wort und Tat werde ich abbüßen, was ich Schlechtes getan habe.
Leite mich, damit ich das Gute vom Schlechten unterscheiden kann,
und damit ich für all jene, die meiner Hilfe bedürfen, nur das Beste leiste,
und damit ich meine Schuld an dir und deinen Geboten für immer reinwasche.
Dein Wille sei mein Befehl.

Perricum 2 (Vitus) (PER 1013)

Vitus wusste nicht, wie er durch diese Tore gehen sollte, ohne das Inneres von der Schuld zerstört werden würde. Er erinnerte sich an seine Freunde, Kameraden, die Frau und soviel Leid, das womöglich entstanden war durch seine Tat. Vielleicht war sogar Xeraan in dem Transport gewesen? Dann wäre er für die Taten, für die Verstümmelung seiner Base, den Tod vieler Unschuldiger verantwortlich. Seine Atmung wurde flacher und er hatte das Gefühl langsam von seinem Pferd zu gleiten, als der Ruf nach Garions Namen ihn aus diesen Gedanken riss.

Ein junger Seeräuber stand neben einer Lichtgestalt in Mitten von weißen und roten Wappenröcken. Eine Reisegruppe von Geweihten der Rondra mit einem Elfen und einem Piraten, dieses Bild verwirrte Vitus. Besonders, dass dieser Pirat nach Garion rief. Man näherte sich dieser Reisegruppe und Vitus konnte den Namen William dem Piraten zuordnen. Der Elf war ein ausgebildeter Magier im Rang eines Adeptus minor mit dem Namen Cyruion. Garion schien diese beiden Personen zu kennen. Vitus fielen viele Namen für diesen William ein, wie Seeräuber, Frauenschänder, Schwerenöter und Pirat. Er mochte ihn einfach nicht, aber vielleicht tat er ihm auch einfach Unrecht. Dagegen schien der Elf gebildet und aufrichtig, fast wie schwarz neben weiß standen die zwei dort.

Die Reisegruppe von Geweihten wurde nach und nach durch die Tore gelassen. Vitus spürte bereits die Ketten an seinen Handgelenken und rieb sich die Handgelenke leicht. Auf einmal sprach die Wache die Gruppe an und William versicherte, dass alle zusammen gehörten. Garion, Tarambosch, Cyruion und William durchschritten langsam das Tor, während Cyruion und William berichteten, wie sie hier her gelangt waren. Vitus‘ Blick fuhr unter dem Tor hindurch, war er nun doch in seinem Gefängnis angelangt.

Die Schritte von Vitus waren langsam und er führte mit verkrampfter Hand sein Pferd durch die Gassen von Perricum zur Ordensburg der Ardariten. In seinem Inneren wollte er Garion und Tarambosch alles zu schreien, jede Tat offenbaren. Sie wussten nicht, dass ein unehrenhafter Verbrecher unter ihnen war. In Vitus Gedanken sah er sich schon gefesselt an eine Säule und mit Peitschenschieben bestraft. Jeder Stein, der Vitus zum Stolpern brachte oder ihm den Weg erschwerte, führte zu einem weiteren Peitschenhieb auf seinem Leib. Sein Verstand wusste, dass die Strafe eine lange Haft oder eine hohe Ableiste sein würden, aber sein Herz forderte eine höhere Strafe.

Bei der Ordensburg der Ardariten angekommen trennten sich die Wege der Fünfe. Cyruion und William gingen weiter mit den Geweihten zur Löwenburg. Während Garion dafür sorgte, dass Tarambosch und Vitus in der Ordensburg der Ardariten einen Schlafplatz erhielten. Vitus beschlich langsam ein ungutes Gefühl, bereits der Vorsteher zum Schlafsaal hatte ihn erkannt. Er wusste, dass am nächsten Tag seine Reise enden würde. Nach dem Abendmahl versuchte Vitus Schlaf zu finden und nach einigen Stunden gelang es ihm auch.

Am Morgen wurden Vitus und Tarambosch von Garion geweckt und Vitus begann seine Sachen sorgsam zusammen zu legen, wie für eine Abreise bereit. Er war sich noch immer unschlüssig, was er nun tun sollte. Zum Glück riss Garion ihn aus seinen Gedanken. Er berichtete von der Morgenmesse im Rondratempel zu dem man sich aufmachte. Die Stufen zum Tempel hatte Vitus seit mehr als einem Jahrzehnt nicht gesehen. Die Sonnenstrahlen auf den Löwenstatuen ließen ihn die Augen feucht werden. Die Morgenandacht verfolgte er nur mäßig, immer seine unehrenhafte Tat im Hinterkopf.
Danach ging Vitus an der großen Rondrastatue vorbei, mit dem Worten im Kopf  „Rondra, die Schuld ist mein. Ich alleine stehe zu meiner Schuld, ich bin es, der die Verantwortung trägt. Ich bin es, der Buße tun muss, ich bin es, dem Strafe gebührt. Rondra, die Schuld ist mein. ließ er einige Münzen in den Schlitz des Opferstocks fallen. Er wollte nur noch in die Ordensburg der Ardariten zurück, er behauptete um zu speisen, aber eigentlich ertrug er die Schuld kaum noch und wollte sich verstecken.

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