Donnerbach
Donnerbach 3 (Cyruion) (PHE 1013)
Nach einem sachten Blinzeln legte der großgewachsene Elf den Kopf ein Stück weit auf die Seite und betrachtete das eigene Antlitz noch einen Moment länger in einer Pfütze, die sich am Morgen bei starkem Regen gebildet hatte und mittlerweile unter der zurückgekehrten, frühlinghaften Mittagssonne litt. Seine Haare saßen nicht, wie es ihm am liebsten war, doch die Ereignisse in der Akademie hatten ihn derart überrascht und erfreut, aber auch verwundert, dass er die mittelblonde, lange Strähne in seinem Gesicht ausnahmsweise duldete.
Seitens der Akademie war er einer Delegation von Rondra-Geweihten anempfohlen worden, die sich aus ihm unbekannten Gründen nach Perricum begeben wollte. Er sollte auf dieser Reise die magische Komponente darstellen, die sich um den Schutz eines Artefaks sorgen durfte und die Rondriten, soweit möglich, mit weiteren Fähigkeiten unterstützen. Für seine Unterbringung und Verpflegung bis Perricum war gesorgt und womöglich konnte er auch mit den Löwen zurückreisen, oder er war auf sich allein gestellt. Seine Neugier war jedoch spätestens ab dem Zeitpunkt geweckt, als sich herausstellte, dass nahezu die komplette Besatzung des örtlichen Rondra-Tempels nach Perricum reisen sollte. Was war derart besonders am Ziel, warum jetzt und was bewachte er, warum nahmen sie es mit und wo lag Perricum überhaupt?
Rasch hob Cyruion das Haupt an und wischte sich die Strähne aus dem Gesicht. Die Abreise war für den darauffolgenden Morgen angedacht und vorab sollte er von seinen Begleitern noch über weitere Besonderheiten hinsichtlich der Reise instruiert werden. Bis dahin blieb dem Elfen Zeit, seine Habe zu ordnen und das Nötigste in seine Taschen zu buchsieren. Rondra! Perricum! Neue Mode, neue Stoffe – ein neues Abenteuer? Cyruion lächelte beinahe selig, während er durch Donnerbach flanierte. In der Hütte seiner Eltern angekommen, die er noch immer sporadisch mitbewohnte, begann er mit den erforderlichen Vorbereitungen. Besonders sein Tagebuch durfte er nicht vergessen… Außerdem musste er den Menschen der Delegation spätestens am Morgen noch kund tun, dass sie viele Äpfel oder Birnen mitnehmen sollten. Schließlich konnten sie und er nicht wissen, was für Pflanzen auf dem Weg nach Perricum wuchsen und es war ihm nicht lieb, auch nur daran zu denken, zu wenig dabei zu haben. Es musste sowieso seiner Nase hinreichend zusagen, aber in seine Tasche bekam er sicherlich nicht genug für eine längere Reise.
Er stockte. Blauäugig wie neugierig hatte er dem Vorhaben bereits zugesagt. Er hätte das Obst bereits ansprechen müssen und außerdem sollte noch die andere Sache Erwähnung finden.
Immerhin betraf das ihre und seine Sicherheit.
Mit nunmehr ernster Miene packte Cyruion seine Sachen zusammen und stellte die Tasche neben seinem Bett ab. Danach machte er sich noch einmal zum Tempel der Himmelsleuin auf, um die letzten Punkte bezüglich der eigenen Person mit einem der Geweihten bereits heute zu besprechen. Dass sein Schlaf bisweilen in Wanderungen ausartete, das mussten sie wissen, bevor sie aufbrachen. Ebenso wie sie über die unbedingte Notwendigkeit von Obst oder, ersatzweise, Gemüse Bescheid wissen mussten.
Cyruion schmunzelte bei all der Ernsthaftigkeit vergnügt. Diese ganze Sache hatte für ein unangemessenes Maß an Zerstreutheit gesorgt, dass er wichtige Dinge zunächst übergangen oder verdrängt hatte. Doch jeder Schritt in Richtung des Tempels fühlte sich, gerade jetzt, wie eine gute Sache an. Für Rondra, für Rondra… und den Elfen ebenso.
Donnerbach 2 (Neferu)
Die Tage waren rasend schnell vergangen.
Der Abschied aus Grangor bei dem sie Phexje in den Arm genommen und er ihr versprochen hatte, dass sie sich in zwei Monden wiedersehen würden.
Die Reise nach Donnerbach über Trallop und der kurze Aufenthalt während der namenlosen Tage in dieser Rondrahochburg. Garion hatte sich den Tempel seiner Löwengottheit angesehen, Neferu war mit ihren Gedanken wieder lange bei Phexdan – Zwei Monate war er fort. Irgendwo… Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wo sich der dunkelhaarige Halbmaraskaner aufhielt. Alles, was er hatte durchblicken lassen war die Tatsache, dass es nicht gefährlich werden würde.
Dann der Brief Phexdans: Phexje war einer langen Krankheit gegenüber der endgültige Verlierer geworden. Endgültig? Nein… Das wollte sie nicht glauben, nicht einsehen. Es musste eine Möglichkeit geben… Der Tempel des Phex würde dem grangorischen Hochgeweihten Bescheid geben. Sie würde einen Weg finden…
Es war wenig los gewesen in Donnerbach. Nach zwei Tagen hatten sie sich entschieden zu gehen – eine Kutsche fuhr nicht. Immerhin saß Phexdans blaue Kleidung an ihrem Leib jetzt besser, seit der Schneider Hand angelegt hatte.
Sie strich über den eng anliegenden Stoff, während sie durch die Nacht stiefelte. Tobrien… Ein ihr völlig unbekanntes Land befand sich unter ihren Füßen. Hier würde sie jemanden Treffen. 3000 Dukaten… Ein kleines Vermögen, aber Phexjes Leben war dieser Mammon alle mal wert. Sie fasste sich ein Herz als sein Klopfen sich verschnellte. Sie war allein… Allein und einsam des Nachtens unterwegs zu Dämonenpaktierern. Schweigend schluckte sie den Gedanken fort und konzentrierte sich auf ihre Gedanken.
Kaum hatten sie Donnerbach zu Fuß verlassen, hatte eine alte Frau sie auf einen Waldpfad in den Blautann aufmerksam gemacht. Eine Abkürzung? Der Wald lag in der Düsternis gespenstisch, aber lockend da. Sie spürte das angenehme Kribbeln in der Magengegend, als sie die Tannenzweige zur Seite bog und gefolgt von Garion dem schmalen Waldpfad dem Finsterkamm entgegen folgte.
Ein schwarzer Hund. Seltsam… Er führte sie zu einer wunderschönen Frau. Eine Hexe? Glitt es Neferu sofort durch die Gedanken, ehe sie sie schnellstens stoppte – man sagte, Hexen seien in der Lage Gedanken zu lesen.
Zehn Dukaten für jeden, um Instrumente zu spielen, die immer die schönsten Melodien anstimmten. Neferu war der Meinung selten einfacher Gold verdient zu haben.
Ohne es zu ahnen waren sie auf ein Treffen der Hexen Aventuriens gestoßen – gemeinsam brauten sie bei Tanz, Festessen und Musik hier zu dieser Jahreszeit ihre Flugsalbe. Etwas kutschüberfahren fühlte sich die Garetherin schon, aber sie hatte schon immer neugieriges Interesse für diese Frauen gehabt. Also, warum nicht? Ihr Blick huschte ab und an zum manchmal etwas verknöcherten und konservativen Rondriten, aber auch der hielt die Füße still. Ob es ihm eine der schönen Hexerinnen angetan hatte?
Überall Tiere, die mit ihnen Musik anstimmten, tanzende, sich im Wind wiegende Hexen – ein wenig hatte Neferu dann doch das beschämende Gefühl auf einem Mohacca-Trip zu sein, aber sie konzentrierte sich um Seriosität bemüht auf ihre Silberquerflöte.
Dann tauchte der verwundete Pallikratz auf, der Kater von Luzelin, der „Oberhexe“. Diese war von ihrer Gegenspielerin Achaz entführt worden. Neferu ahnte Fürchterliches – sie hatte besseres zu tun, aber andererseits… Hexen auf ihrer Seite? Das konnte sich in der Zukunft nur als Vorteil erweisen…
Als hätte sie es nicht geahnt.
Garion und sie selbst wurden für den Geiselabtausch gegen den Topf Flugsalbe auserwählt. Gesagt, getan. Dummerweise legte die alte Achaz sie widerlich lachend und in ihrem fliegenden Fass fliehend rein.
Aber so einfach ließen sich der Bornländer und die Halbtulamidin nicht abschütteln. Sie entdeckten zuerst Achaz‘ Haus, welches sich an den Finsterkamm schmiegte und durchsuchten es penibel, wobei sie einige Versuchstiere befreiten und die eigentümlichsten magischen Gegenstände entdeckten (und zum Teil mitnahmen).
Doch auch in diesem Haus keine Luzelin. War da nicht noch eine Hütte im Wald? Hütte Hühnerbein, eine laufende, kleine Behausung, die aufs Wort gehorchte – vorausgesetzt man reimte. Es dauerte nicht lange und die zwei Reisenden lauerten dem Hühnerbein auf. Sie kamen durch feines Reimen rein in Hühnerbein, aber… Drinnen erwartete sie neben einer eingesperrten Taube, die eine Nadel in der Brust stecken hatte auch der Dämon Nirraven in gigantischer Rabengestalt.
Sie besiegten den Raben, vertrieben die kurz hereinschneiende, aber anscheinend überforderte Achaz und verliehen Luzelin (der weißen Taube) wieder ihre ursprüngliche Gestalt.
Der Dank der Hexen war nicht nur für Neferus Seele Balsam, auch ihr Zweckdenken war hocherfreut, als sie die silberne Querflöte behalten durfte und ihr erklärt wurde, wie sie das Armband der Gestaltwandlung würde verwenden können. Wunderbar.
Und Hexenfreunde… So durfte sie sich fortan nennen. Praktisch, wirklich überaus praktisch.
Kaum wieder in Gareth war auch Richard, hergelockt durch einen Schrieb Neferus anzutreffen. Sie warfen all ihr Gold zusammen, verkauften Ketten und Wertgegenstände, nahmen tausend Dukaten von der Nordlandbank auf, bis sie eine beträchtliche Summe zusammen hatten – 3000 Dukaten. In Worten dreitausend.
Von jetzt an ging es allein weiter. Sie wollte Richard und Garion ihre Pläne weder wissen lassen, noch sie hinein ziehen.
Dämonenpaktierer… Dämonen… Asfaloth.
Sie kannte das Risiko. Mit klappernden Zähnen kam sie an die alte Hütte, die als Treffpunkt diente. Wenigstens gab es kein Wiedererkennungsrisiko. Das Armband mit dem blauen Stein leistete gute Dienste und hatte sie in eine schwarzhaarige Schönheit mit blauen Augen verwandelt.
Warum rettete sie Phexje? Warum nahm sie soviel Risiko, soviel Gefahr für ihre eigene Seele auf sich für einen kleinen Jungen? Sie wusste, dass es mehrere Gründe gab. Er war vom selben Schlage wie sie selbst, er gehörte zu Phexdan und… sie war sich bewusst geworden dass, was das Kind für sie empfand auch andersherum galt: Sie liebte Phexje wie einen Bruder.
Donnerbach 1 (Garion)
Anfangs war die Fahrt ruhig verlaufen, beinahe zu ruhig. Das stete Schwanken und das monotone Rumpeln der Kutsche hatten beide schnell müde werden lassen. In dem Versuch wach zu bleiben, hatten Neferu und Garion sich darauf verlegt die vorbeiziehende Landschaft aus dem Fenster zu beobachten.
Seit dem Aufbruch aus Trallop hatte sich diese sehr verändert. Die großen Baumgruppen waren lichter geworden und das Land flacher, hier und dort hatte es niedrige Büsche gegeben, die sich für einen Hinterhalt geradezu anboten. Aber nichts dergleichen war passiert.
Stundenlang hatte sich der Blick aus dem Fenster mit einer gewissen Regelmäßigkeit in den Anblick einer Moorlandschaft gewandelt. Garion hatte schmunzeln müssen. Viele Menschen hatten Angst das Nebelmoor zu durchqueren, selbst wenn sie einem bewachten Wagenzug angehörten und die ganze Besatzung seiner Kutsche hatte aus nur drei Personen bestanden, von denen im Falle eines Angriffes sicher eine – nämlich der Kutscher – sofort getötet worden wäre. Auf dem Bock des Gefährtes bot er ein sicheres und ungeschütztes Ziel.
Wieder sah er zum Himmel hinauf, dann zu seiner Spiegelung im dunklen Wasser. Hier unten schienen die Sterne in Bewegung zu sein, dehnten sich oder zogen sich zusammen, nie standen sie still. Gedankenverloren schob er einen Finger in das kalte Wasser und ließ die Kälte eine Weile auf seine Haut wirken.
„Ob ich ein wenig Geige spielen sollte?“, sprach er leise zu sich selbst und zog den Finger wieder aus dem Wasser um ihn zu besehen.
Mit einem Kopfschütteln verwarf er die Idee. Sein Geigenspiel mochte dank der silbernen Geige zwar schön sein, aber es war auch laut. Mit Sicherheit würde er Richard wecken. Und sicher war der ohne Schlaf noch unfreundlicher als ohnehin schon. Er kratzte sich an der Wange und sah wieder in den dunklen Nachthimmel hinauf.
Ja, die Kutschfahrt war ruhig verlaufen, bis zu dem Moment, in dem es leise zu knarren begonnen hatte. Lauter und immer lauter war das Geräusch geworden, bis es sich schließlich in einem lauten Krachen ergangen hatte. Die Kutsche war ins Schlingern geraten und Garion hatte mit einem raschen Blick gerade noch sehen können, wie der Kutscher schreiend an seinem Fenster vorbei auf die Straße gestürzt war. Die Kutsche selbst war ruckartig zum Stehen gekommen.
Ein Überfall. Offenbar hatte es doch einen Grund für all die Furcht der Menschen aus Trallop gegeben. Mit verzogener Miene hatte er sich daran erinnert, dass seine Rüstung sich warm und trocken auf dem Dach der Kutsche befand.
Auch Neferu war aufmerksam geworden und hatte einen raschen Blick aus dem Fenster geworfen:“Da kommt etwas, Garion!“ Rasch hatte er hinaus gesehen und tatsächlich – über das niedrige Sumpfgras rechts des Wagens hatten sich einige Kreaturen auf die zum Stehen gekommene Kutsche zu bewegt. Groß waren sie nicht gewesen, aber irgendetwas an ihnen war Garion furchtbar bekannt vorgekommen.
„Richard…?“, hatte er gehaucht, ehe der Kampf ausgebrochen war.
Er spürte einen leichten Nieselregen auf seinem Gesicht, der die Gestalt des Ardariten und die Erde um ihn herum mit unaufdringlicher Feuchtigkeit benetzte. Der feine Regen strich ihm über das Gesicht, ließ die Tränenspuren unter denen des Regens verschwinden, ehe dieser an Intensität zunahm.
Einen Moment dachte Garion tatsächlich darüber nach auf dem schnellsten Weg in sein Zelt zurückzukehren, dann aber sah er zu dem Lauf des kleinen Baches vor ihm hinab. Wo Tropfen einschlugen bildeten sich kleine Ringe, die immer größer wurden.
Ohne ein einziges Mal zu blinzeln betrachtete er die Bewegungen des Wassers.
„Wie Menschen…“, dachte er bei sich. „Jeder von uns wird früher oder später in den Fluss des Zeit hinab geworfen, taucht ein in die Hektik des Lebens, den Rausch, in die Eindrücke, die einem die Sinne vermitteln.“, einer der sich ausbreitenden Ringe hatte seine Aufmerksamkeit gefesselt.
„Wir beginnen Fragen zu stellen, Dinge zu lernen, erweitern unseren Horizont…Und schließlich…Schließlich passiert es.“, mit ernster Miene folgte er dem Verlauf seines erwählten Tropfenkreises und beobachtete, wie der Ring sich mit einem zweite überschnitt und die sich ausdehnenden Ränder beider Ringe auf das Zentrum des jeweils anderen zuhielten.
„Bis wir auf diesen Menschen treffen, mit dem uns irgendetwas verbindet…Von dem wir uns wünschen, dass unser Horizont bis zu seiner Mitte, seinem Kern reiche.“, er verengte die Augen ein wenig. Er mochte nur ein Tropfen in einem ganzen Fluss, vielleicht sogar einem Meer sein, aber er wollte verdammt sein, wenn die Wellen, die er auslöste nicht bis zu Neferus Zentrum reichen mochten.
Wo sie wohl gerade war? Wieder sah er in den Himmel hinauf und heftete seinen Blick, dem Regen, der ihm ins Gesicht schlug zum Trotz, an das Madamal. Es war von jedem Punkt Aventuriens aus zu sehen, wenn es Nacht war…und doch war es stets das Selbe. Ob Neferu es sich auch gerade ansah und an ihn dachte…? Er biss sich auf die Unterlippe.
Der Kampf gegen die unehelichen Kinder Richards – die gefürchteten Suhlen des Nebelmoores – war nur kurz, dafür umso härter gewesen. Eine dieser Kreaturen hatte sich an seinem Bein fest gebissen, doch war es ihm unter Aufbringung all seiner Willensstärke gelungen sie abzuschütteln. Sie hatten sich nicht lange aufgehalten, hatten den Weg freigeräumt und er hatte mit dem glücklicherweise nicht all zu schwer verletzten Kutscher das Wagenrad repariert. Der Rest der Reise nach Donnerbach war ruhig verlaufen. Zu Garions Erstaunen hatten sie keine Nacht im Nebelmoor, nicht einmal in seiner Nähe, verbringen müssen.
Sie hatten in Donnerbach ein kleines, aber gemütliches Doppelzimmer bewohnt, dessen Einzelbetten er zu einem großen zusammengeschoben hatte. Der erste Tag war wie im Flug vergangen, die lange und anstrengende Kutschfahrt, der Kampf und die Reparaturen an der Kutsche hatten ihren Tribut gefordert und Neferu und Garion einen raschen und tiefen Schlaf beschert.
Der zweite Tag hatte wenig Abwechslung versprochen. Die beiden Reisenden hatten über ihre verschiedenen Sorgen gleichsam die Nähe der Tage des Namenlosen vergessen, die sie nun in Donnerbach einholten.
Leere Straßen, leere Schenken. Stille hatte sich über die Stadt gelegt, nur einige Patrouillen des örtlichen Rondratempels hatten den dunklen Stunden dieser Tage getrotzt und die Sicherheit in der Stadt garantiert. Garion war ohne Neferu aufgewacht und hatte sich gewohnheitsgemäß sein Hemd abgestriffen um sich zu allererst zu waschen. Es war unwahrscheinlich, dass Neferu das Gasthaus verlassen hatte – die namenlosen Tage waren ihr ebenso ein Begriff wie dem Rondriten.
Ein warmes Glücksgefühl hatte seinen Bauch durchflutet, als sie heimlich, still und leise aus ihrem Versteck hervor geschlichen war und ihn trotz seiner Nacktheit umarmt hatte. Keine Scham, kein Gefühl des Anstoßes, nur Wärme.
Sie hatte das Zimmer und wider Erwarten auch das Gasthaus selbst verlassen, war in Richtung des östlichen Tores, in Richtung des Pandlarin gegangen ohne zu ahnen, dass er dort lag. Garion hatte es sich nicht nehmen lassen ihr den Ort seiner Weihe zu zeigen. Hatte ihr die seltsame Wirkung seiner Anwesenheit auf die aggressiven Neunaugen zeigen wollen, doch hatte sie ihn – wie so oft – völlig überrascht und war in dem naiven Glauben, dass auch sie vor den Einwohnern des Sees gefeit sei kopfüber in das dunkle Wasser gesprungen…Und nicht wieder aufgetaucht.
Einen Moment lang hatte er versucht seine Rüstung zu öffnen, sich dann aber eines Geschenkes erinnert, einer Knospe, die es ihm ermöglicht hatte unter Wasser zu atmen. Rasch war er zu Neferu hinabgestiegen und hatte die Bewusstlose aus dem Wasser gezogen, ihre Lippen mit den seinen berührt, mit Efferd und Boron um ihr Leben gerungen und den Sieg davon getragen.
So war es gekommen, dass er den Besuch in dem Rondratempel der Stadt hatte alleine absolvieren müssen. Sieben Stunden hatte er die Hallen durchwandert, sogar eine Rondrageweihte kennen gelernt, die ebenso wie er in Arivor ihre Weihe erhalten hatte. Als Rondriane von Arivor hatte sie sich ihm vorgestellt, hatte ihm angeboten seine weiteren Nächte in der Stadt unter dem Dach ihrer Schwester zu verbringen. Er hatte ihr nur eine vage Antwort gegeben, noch eine Weile Trost unter den furchtsamen Bürgern und ihren Kindern verteilt und war dann zu Neferu zurückgekehrt.
Es war gewesen wie er es erwartet hatte – sie wollte so rasch wie möglich weg aus der Stadt, zurückkehren nach Gareth. Er hatte zugestimmt, ihn hielt nichts in Donnerbach und er hatte ihren katzenartigen, grünen Augen nie etwas abschlagen können.
Am nächsten Morgen hatten sie feststellen müssen, dass die Kutscher sich weigerten das Nebelmoor während der namenlosen Tage zu durchqueren. Garion hatte genickt und Neferus Gepäck zusätzlich zu seinem geschultert. Sie wollte weg…Und er hatte vorgehabt ihr ihren Willen zu geben.
Vorsichtig blinzelte er sich den Regen aus den Augen. In der Ferne zeichnete sich ein zartes Blassrosa ab, das den nahenden Morgen erahnen ließ. Kurz leckte er sich über die Lippen, ehe er sich erhob. Ein paar Stunden Schlaf wollte er sich noch gönnen. Vielleicht waren die Götter gnädig und ließen ihn von ihrem ebenmäßigen Gesicht träumen.