Havena 8 (Neferu)
Kategorien: 1013 BFDer Tod trägt RotHavenaNeferuZeitraum: –––
Zweimal schon war sie von den spärlich vertretenen Geweihten still der Insel verwiesen worden.
Nicht unhöflich natürlich und erst recht nicht wortreich, aber Neferu war boronfürchtig genug zu gehen, sobald eine der Schwarzkutten mit ernst-entschlossener Miene ausgestreckten Armes zum Festland deutete. Vorläufig zu gehen, zumindest.
Sie kam sich vor wie im Possenspiel eines unterdurchschnittlich begabten Autoren aus dem Horasreich. Und sie ahnte, dass es der Geweihtenschaft des dunklen Gottes ganz ähnlich erging.
Hier in Havena wurden sie allesamt gemieden. Kaum jemand hier besuchte je seine Lieben, sobald sie verstorben waren.
So konnte die Hand voll Priester friedlich und still auf ihrer Insel im Hafen vor sich her leben und keiner kam ihnen in die Quere oder belästigte sie.
Nur wenn jemand verstorben war, ruderten die Diener des Rabengottes zur Stadt hinüber, denn wann immer es soweit war, wussten sie davon.
Das musste sie noch unheimlicher machen, da sie wie von einem lautlosen Zeichen geschickt kamen, um die Leiche mit sich zu nehmen.
Neferu fragte sich in eben jenem Moment, was sie aßen… Ob sie, allesamt.. Vampire waren?
Es war nicht so, als ob sie das noch groß gewundert hätte, kannte sie doch bereits Cailan und Firuz und ebenso die ominöse, blasse Sagarta, eine junge Frau mit dem Auftreten einer tausendjährigen Statue.
Wie mittlerweile zu fast jeder Zeit hielt sich die Rote im Hafen von Havena auf.
Sie hatte gelernt, dass die meisten Fischer vorgaben sie nicht gehört zu haben, wenn sie von einer Passage zur schwarzen Insel sprach.
Oder aber sie starrten vollkommen entgeistert, als habe man sie gefragt, ob sie in einer Nussschale übers Meer ins Riesland rudern könnten.
Wie froh war sie gewesen Bekanntschaft mit Edda zu machen. Edda war vor zwanzig Jahren nach Havena gekommen, um den Mann ihrer Wahl entgegen dem Willen ihrer Eltern zu heiraten.
Sie war aus dem bodenständigen Wehrheim und scherte sich nicht um Tod noch Namenlosen.
Trotzdem hatte Neferu auch an die resolute Mittvierzigerin so einige Goldtaler verloren, denn die Frau ließ sich ihre Fahrten durch die Bucht wie eine Königin bezahlen.
Gerade für Neferus heutiges Anliegen musste sie tief in die eigene Tasche langen. Oder eigentlich… in Zerwas‘ Tasche, waren die Goldmünzen, die sie ihr Eigen nannte doch großteilig von seinen Ersparnissen abgezweigt.
Grabpflege. Mit wenigen Worten hatte Neferu es aushandeln können, dass sie auf der Boroninsel würde helfen dürfen zur Ehre der Toten die Gräber zu pflegen.
Wenn sie dabei eine schwarze Kutte trug. Und den Mund hielt.
Das war das beste Angebot, das sie sich von den störrischen Boroni hatte erhoffen können. Sicher wusste Sagarta nicht einmal davon, war es doch Cailans milde Zugeneigtheit, die ihr diesen Vorteil eingebracht hatte, wie sie überzeugt vermutete. Cailan.. und sein Rahjafluch. Ein schauderhafter Gedanke. Auch wenn die hexisch verspielte Schadenfreude in ihr belustigt eingestand, dass es sie nach wie vor schmeichelte, dass er wortwörtlich Feuer gefangen hatte.
Die Planken des Ruderboots knarrten, als Neferu mit einem beherzten Sprung von der Kaimauer ihren Platz einnahm.
Edda hatte sie erwartet. Es lief ab wie immer: Erst die Bezahlung, dann der Dienst.
Die blonde Fischerin half die zwanzig Pflanzen unter dem Gesicht des milchigen Vollmonds in das Boot zu verladen. Zwanzig junge Rosentriebe, dazwischen die zwei Frauen. Selbst Edda, die vorgeblich wie immer leise fluchte, konnte nicht umhin einige Male zu lächeln.
Neferu hatte es geahnt – eine Frau die für einen Mann an eine wetterwendische Küste zog, an der man albern-abergläubisch gegenüber Tod und Magie eingestellt war, die musste trotz ihrer herben Optik eine romantische Seele sein.
Nef schämte sich nicht für die handfeste Lügengeschichte, die sie der Wehrheimerin aufgetischt hatte. Im Gegenteil, sie wusste, dass die Geschichte über einen toten Geliebten, der kurz vor ihrer Heirat in fremden Gewässern umgekommen war und dessen Ort der Ruhe sie erst jetzt gefunden hatte, viel eher das war, was ein Mensch hören wollte. Eine hübsche, romantische Geschichte.
Die Geschichte vom Massen mordenden Erzvampir, den sie ganz zurückzuholen gedachte, eignete sich weniger.