Perricum 10 (Cyruion)

Kategorien: 1013 BFCyruionDie Zeichen der SiebenPerricum
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Nachdenklich betrachtete Cyruion Garion. Doch in diesem Moment sparte er sich trotz aller Neugier eine Nachfrage. Es war sicherlich nicht der richtige Moment, eine andere Wunde mit Salz zu bestreuen und zu sehen, wie unglücklich die Reaktion darauf vielleicht ausfiel. Ohnehin waren die Tage in Perricum bislang eine einzige Ablenkung gewesen, so dass es sowieso falsch erschien nachzubohren, weshalb sein Weg nicht steiler verlaufen war. Eben gerade vielleicht wegen der vielen Ablenkungen? Zumindest wollte Cyruion jetzt keine darstellen.

In die Rolle der Ablenkung würde sicherlich bald eine andere Person schlüfen, mit Wonne. Vitus schien mit seiner zweifelhaften Vergangenheit in Perricum prädestiniert dafür und William, nun, vielleicht. Dem Blick auf das Wesen des Piraten, Seeräubers und liderlichen Mannes war geschuldet, dass sich Cyruion über einen Umstand im Klaren war: William gab vor dümmer zu sein, als es der Wahrheit entsprach. Er war befähigt zu kämpfen, oder zumindest seine Haut zu retten, bis es an der Zeit für die Flucht war. Auch eine gewisse, handwerkliche Befähigung war dem Mann mit zerschlissenen Kleidern – im Gegensatz zu Bücherwissen – zu attestieren. Womöglich ging es dabei um solcherlei Dinge, die er sich selbst beigebracht oder auf See gelernt hatte, wie etwa eine Planke zu schrubben oder notdürftig zu reparieren.

Dann stockte der auelfische Schneider und sah aus dem Augenwinkel in Richtung des monumentalen Portals des Tempels, in dem sie immer noch standen. Eine Person, die den Eindruck machte auf und ab zu gehen, sich nach etwas umzusehen, vielleicht nervös war. Sein Gebahren passte nicht ganz zu dem, was andere taten: den Tempel schlicht verlassen. Doch vielleicht wartete er auch nur auf seine Begleiter, obgleich der Mann in feinem Zwirn nicht unbedingt den Eindruck machte, als gehörte er einer Schicht an die oft oder sonderlich gerne wartete. Cyruion zog die hellen Brauen zusammen und sah wieder in die Runde.

Unlängst hatte er den Gesprächsfaden verloren, weshalb er sich lediglich die Mühe machte die Gruppe während einer Gesprächspause, einem kurzen Moment des Schweigens nur,auf die Gestalt am Eingang aufmerksam zu machen. Wenig verwundertlich war, was folgte, dass zumindest der Geweihte ein reges Interesse zeigte die Gestalt zumindest zu fragen, ob sie Hilfe benötigte oder vielleicht etwas anderes brauchte?

Zügig stellte der Fremde klar, dass er auf die Mischung aus Geweihtem, Angroschim, Elfen und anderen, recht willkürlich aussehenden Menschen aufmerksam geworden war und tatsächlich Hilfe benötigte. Er, der sich als Valadus von Darrenfurt vorstellte, kam nach eigener Aussage aus Perricum. Und er benötigte Hilfe? Ein Hauch von Neugier veranlasste den Elfen dazu, den anderen zu folgen und sich die Sorgen des Darrenfurt anzuhören und gemeinsam begaben sie sich auf den Weg zur Stadtvilla des, offenkundig, reichen Mannes, der einen ausschweifenden Lebensstil prägte. Sein ganzes Haus war voll und beinahe Überladen von Kunstwerken und anderen Dingen, die als Schätze bezeichnet werden konnten – und durften.

Sein Problem war jedoch ein anderes – die Liebe. Eine der wenigen Sachen, die nicht käuflich war, wie er bitterlich hatte feststellen müssen. In dieser Hinsicht duldete der Auelf keinen Widerspruch, denn das was William und andere sich für einige Dukaten erkauften, war keine Liebe, sondern ein Trostpflaster für einen verletzten, einsamen oder brünstigen Geist. Ansonsten wären auch all die Geschenke, die Darrenfurt seiner Herzensdame wohl unterbreitet hatte, genug gewesen um einen Traviabund herbeizuführen. Darrenfurt ging auf Nachfrage weiter ins Detail. Er hatte um die Tochter des Barons von Zackenberg gefreit, die so schön war, dass er sie unbedingt seiner Sammlung hinzufügen wollte. Cyruion betrachtete den Mann skeptisch, der wirkte wie ein verzweifelter Schatzsammler, aber gleichwohl von Liebe und Heirat sprach, obwohl er über die begehrte Dame gar nichts zu wissen schien.

Ihre Lieblingsblume waren Blumen. Frauen mochten schließlich Blumen.

Das gesprochene Wort des Edelmannes war dem Elfen beinahe ein Augenrollen wert. Er konnte das, was er erzählte, nicht wahrhaftig ernst meinen oder zumindest nicht in dieser Form.

Cyruion tat sich demnach schwer, dem Mann zu glauben, umschmeichelte er doch auch den Elfen und hoffte auf eine Gesangsdarbietung oder die Möglichkeit ihn vielleicht zu einem seiner Feste zu laden, sei es nur für die musikalische Untermalung. Es gab etwas, das ihn daran störte. Weniger der Umstand, dass er einige Dukaten verdienen konnte, sondern mehr die Besorgnis am Ende in einer Kiste auf dem Dachboden zu enden – als Teil einer großen Sammlung, irgendwo abgelegt und nur mehr zu besonderen Anlässen herausgeholt, wie gegebenenfalls auch die Tochter des Barons von Zackenberg. Cosima.

Cosima, der besondere, seltene und begehrenswerte Schatz, der, wie Darrenfurt erzählte, zusätzlich unter einer verhängnisvollen, schlechten Konstellation der Sterne den Weg nach Aventurien gefunden hatte, wie schon ihre Mutter, die bei der Geburt verstarb. Wieder wurde der Elfenschneider hellhörig. Die Sterne – tatsächlich vermochten sie einiges auszusagen, doch leider konnte Valadus keine hilfreichen Informationen als das liefern, was sicherlich auch der Volksmund sprach: schlechte Omen, Unheil, schlechte Menschen?

Zum Glück gab es in Perricum eine Akademie, die dem Elfen sicherlich mehr verraten konnte.

Bedächtig strich Cyruion eine Strähne hinter eines der spitzen Ohren zurück. Nur vielleicht war es die Wahrheit, die Valadus sprach. Vielleicht war es tatsächlich Liebe, vielleicht war sie nicht nur ein Stück Beute, sondern das, was ihm zu seinem Glück fehlte und er vermochte sein Leid nicht besser in Worte zu fassen? Nach einem längeren Gespräch sagte die Gruppe ihre Unterstützung zu. Doch benötigten sie noch weitere Informationen, wie auch eine gute Idee, wie überhaupt auf die Burg oder die Tochter heranzukommen war. Immerhin war es Adel, den sicherlich nicht jeder ohne weiteres besuchen konnte.

[…] Am darauffolgenden Morgen hatte Cyruion wenigstens den Umstand verdaut, dass William am Vorabend beinahe beharrlich den Weg von Vitus einschlagen und Bekanntschaft mit dem Perricumer Kerker machen wollte. Valadus hatte ein Bild seiner Geliebten gezeigt und der Seefahrer alle erforderlichen Anstalten gemacht, dieses unauffällig in seiner Tasche verschwinden zu lassen. Zum Glück war jedoch mehreren der bloße Versuch aufgefallen. Noch immer wurde der Elf aus dem Mann hinter der dämlichen Fassade nicht schlau. Warum stellte er sich so an, wie er es tat, wenn er insgeheim doch so intelligent schien?

Vielleicht hatte ihn die raue See verdorben.

Cyruion schüttelte den Kopf. Über den Barbaren, der an der Flasche hing, konnte er sich noch viele Jahre den Kopf zerbrechen. Den Morgen selbst wollte er nach einer kurzen Wäsche und einer Begegnung mit Garion und den anderen jedoch für etwas sinnvolles aufopfern. Die Schule der Austreibung war sein Ziel. Auch wenn ihnen das Datum noch fehlte, das sie benötigten, immerhin konnte das Alter der Dame auf 19 Jahre festgelegt werden.

[…] Gegen Mittag war der elfische Zauberer ernüchtert aus der Akademie zurückgekehrt. Ohne ein Datum konnten sie ihm keine Auskunft geben und empfanden auch den Zugang zur Bibliothek als wenig zielführend oder sinnvoll. Daher war es erforderlich, dass sie Valadus noch einmal befragten, der am Vorabend nicht den Eindruck gemacht hatte, irgendetwas über Cosima von Zackenberg zu wissen, das ins Detail ging.

[…] Valadus hatte tatsächlich helfen können und seinen Diener oder Schreiber bestellt, das Tagebuch heranzuschaffen, in dem er den Vermerk hatte machen lassen. Eifrig schrieb Cyruion mit, damit der nächste Gang zur Akademie nicht wieder sinnlos sein würde und er mehr über Cosima und die Sterne herausfinden konnte. 5 ING 993. Neugier machte sich in den Gedanken des Elfen breit. Was er wohl herausfinden würde, was ihm die Bibliothek über Cosima anhand der Sterne verraten mochte?

[…] Es dämmerte bereits, als der auelfische Zauberer mit ungewohnt steinerner Miene in die Ordensburg der Ardariten zurückkehrte. Der bloße Ortswechsel ermutigte ihn nicht, bessere Laune zu haben. Er fühlte sich, wie die nach außen scheinende, grinsende Fassade von William allzu oft wirkte: Dumm.

Die Schule der Austreibung hatte dem Elfen gegen einen Obolus den Zugang zur Bibliothek gewährt und er, er war unachtsam gewesen. Kaum, dass er eines der ersten Werke zur Sternkunde aufgeschlagen hatte, war ihm die Henkelkerze umgefallen und hatte einen Brand ausgelöst, der das Buch in seine Bestandteile aufzulösen begann. In seinem blanken Unverständnis für dieses Missgeschick hatte der Auelf sich später herauswinden wollen, bemühte sich um Erklärungen, die den Schaden abschwächen sollten, ehe er den fatalen Umstand wieder berücksichtigte, dass seine mangelnde Sorgfalt verantwortlich für all das war.

Das liebgewonnene Geld, das er die letzten Wochen verdient hatte, verknappte sich durch dieses Missgeschick in seinem Geldbeutel deutlich. Eine Strafe von mehreren Dukaten wurde dem Elfen abverlangt, wie auch entschuldigende Worte an den Verfasser der Schrift, der zu seinem Glück jedoch erzählte, dass dem Elfen nur eine Abschrift in Flammen aufgegangen war.

Glück im Unglück. Dennoch behagte dem Elfen die Situation nicht und wäre er in dieser Situation ein Mensch gewesen, hätte er rege Scham für sein Verhalten empfunden. Ungewohnt enerviert über die eigene Unzulänglichkeit bließ der Elf die Backen auf. Glück im Unglück.

Denn es war nur eine Abschrift – und der Verfasser erbarmte sich zumindest, dem Elfen die Antwort auf seine Frage aus dem Original und seinen Unterlagen herauszusuchen. Ein mäßiger Erfolg. Auf diese Weise erfuhr er zwar, und vielleicht schneller als durch eigene Recherche, worum es dabei ging, doch ohne Feuer und den Verlust der Münzen wäre es ihm lieber gewesen, wäre es eine eigene Leistung, ein tatsächlicher Erfolg gewesen und sich unterschwellig weniger das Gefühl von Mitleid einschleichen.

Durchatmenderweise erzählte er seinen Begleitern von diesem Unfall, am Rande, versuchend die wesentlichere Information auffällig in den Vordergrund zu stellen und von seinem Versagen abzulenken. Sie sollten hauptsächlich wissen, dass die Sternenkonstellation nicht unbedingt so negativ war, wie sie generell empfunden wurde. Tatsächlich war von der Geburt weiser Anführer die Rede, die des Öfteren den Versuchungen der Macht erlagen. Nicht immer, aber oft. Gab es nicht schlechtere Omen für die Geburt eines Kindes, als die Erwähnung der Geburt eines Anführers? Es kam dem Donnerbacher Magier fast so vor, als hätten alle vor ihm nur den zweiten Teil des Satzes gelesen und die Worte vor dem Beistrich ignoriert.

Weshalb, das verstand Cyruion nicht, doch dieser Tag war sowieso nicht seiner. Insofern freute es ihn umso mehr, dass sie die Unternehmung mit den gewonnenen Informationen schlicht weiter konkretisierten und ihm dabei Aufgaben zuteil wurden, der er sich annehmen konnte – wohl ohne dieses Mal zum Scheitern verdammt zu sein.

Der restliche Abend, die Planung und weiteres, zogen ansonsten eher am Elfen vorbei.

Dieser eine Moment in der Bibliothek ließ ihn nicht los.