Gareth 18 (Phexdan & Neferu)

Kategorien: 1013 BFDer Puls der StadtFeqzjianGarethNeferuSalpicoZerwas
Zeitraum: TSA 1013

Niemand hatte damit gerechnet, dass Phexdan so kurz nach einem Aufenthalt im Perainetempel krank werden würde.
Den kälteempfindliche Maraskaner, der den Winter ebenso verabscheute wie sein pelziger Gefährte Dajin es tat, erwischte ein ganz mächtiger Dumpfschädel und er verbrachte zwei Tage leidend und unbrauchbar unter einer dicken Decke in seinem Zimmer bei Ahlemeyer. Und wie er doch litt!
Kaum dass Neferu in die alte Sattlerei gekommen war, um nach ihm zu sehen, bemühte er sich nach Kräften, sein regelrechtes Siechtum überzeugend darzustellen.
Und es half: Sie konnte nicht nein sagen.
Sie konnte nicht ablehnen, als er sie mit leiser Stimme und fiebrig gläsernen Augen fragte, ob sie bei ihm bleiben und sich um ihn sorgen würde.
Salpico erklärte sich murrend bereit, einmal quer durch das winterliche Gareth zu stapfen, um dem Blutsauger bescheid zu geben, dass er vorerst alleine in seiner vermaledeiten Wohnung in Rosskuppel auszuharren hatte. So formulierte es Phexdan in Gedanken.
Ihm gefiel der Gedanke. Nicht, dass er sich nicht wirklich hundeelend fühlte. Aber dieser kleine zusätzliche Triumph gegen den Vampir versüßte ihm die Gliederschmerzen und das Brummen im Schädel.
Der letzte Kampf um seine Frau war noch lange nicht geschlagen. Und das war sie: Seine wankelmütige, weichherzige, vorschnelle Hexenfrau, die für ihn Tee kochte, wenn er krank war. Er hatte schon vor Jahren entschieden, dass er sie haben wollte. Keine andere passte besser zu ihm. Keine andere war so schwer zu halten.
„Bringst du mir Stricken bei? Ich will ein Jäckchen… für Dajin..“ keuchte er kränklich, einem inneren Themawechsel abrupt folgend. Sie bejahte. Er würde stricken lernen!

Seine Finger berührten ihr Haar, als sie diese Nacht bei ihm lag.
Das Fieber ließ ihn frösteln und schwitzen, seine Stirn hämmerte. Aber durch den nebeligen Schleier der Krankheit war sie da.
Er drückte seinen Körper eng an sie und umarmte sie innig. Er gab ihr die Wärme, die sie bei dem Unsterblichen nie bekommen konnte und noch mehr.

~

Am Rondratag dann, kränkelte Neferu selbst. Sie hatte sich angesteckt, als sie Phexdan viel zu nahe gekommen war. Sie schob den Gedanken hastig bei Seite. Sie konnte nicht darüber nachdenken.
Phygius würde an diesem Tag in einer der beiden Tavernen erscheinen und sie musste ihm begegnen! Aber erst gegen Abend…
Es lag kaum mehr Schnee, begann früh zu tauen dieses Jahr. Er blieb zurück als bräunlicher Matsch, der von tausenden Füßen und Hufen in den Boden getreten wurde, bis er verschwand und nur schlammige Straßen zurückließ.
Sie nutzte den Tag, um Verträge zu besiegeln. Phexdan ruhte sich aus, das Fieber war allmählich gesunken.
Zerwas begleitete Neferu, er hatte sie am Eisenmarkt abgepasst.
Zu gerne hätte sie mit ihm gesprochen, ihm Antworten gegeben zu Fragen, die er nie gestellt hatte. Sie wollte ihm mitteilen, dass sie sich schuldig fühlte. Dass sie am Leben hing. Am pulsierenden Leben mit all seinen Facetten. An einem Leben voll Wärme und Chancen und Zerbrechlichkeit. Neferu wollte dem schönen, stattlichen Unsterblichen mitteilen, dass sie nicht bereit war für die Ewigkeit. Aber dazu war sie nicht mutig genug. Sie hatte Angst, ihn so zu verletzten und auch davor, dass sie ihn verlieren würde. Angst aus Egoismus und das es eine solche war, wusste sie. Es machte ihr zu schaffen, doch sie fühlte sich machtlos sich selbst gegenüber.
Neferu nieste. Sie hoffte, dass es bei ihr nicht zu Fieber kommen würde.

Sie unterschrieb ein Abkommen mit dem Alchemisten Grabensalb und erhielt als Vorschuss einen schwachen Astraltrank. Großartig! Im Gegenzug gab er ihr eine Liste von Ingredienzien, die er aus der Brache brauchte.. Meteoreisen, rauchendes Braunöl, Spinnennetze, schwarzer Mohn. Zusätzlich als Beweis, dass sie im Stande war, auch wertvollere und seltenere Dinge zu bekommen, erhielt er als Vorgeschmack ihre Jadesteine, die sie schon seit Jahren in Gareth lagerte.
Sie eilte durch die Stadt, fragte bei Gesses Eisen- und Rüstwaren nach der Herkunft von Meteoreisen und zu guter letzt besuchte sie den Architekten Nerix Sandsteiner in Wallgraben, um mit ihm den Bauvertrag auszuhandeln und ihn beim Magistrat beglaubigen zu lassen. 3221 Dukaten wechselten durch die Festumer Handelsstube den Besitzer.
Ab jetzt war sie arm. Völlig arm!
Ein gutes Gefühl. Seltsamerweise. Ab jetzt konnte sie alles erreichen, denn sie hatte nichts. Bis auf einen funktionierenden Brunnen auf einem leeren, großen Weststadtgrundstück. Sie konnte sich etwas verdienen, von dem sie auch merkte, dass es einen Unterschied machte. Das erste Mal an diesem Tag lächelte sie, denn sie hatte etwas verloren. Es war seltsam, dass es gut tat.

Sie blickte schuldbewusst zu Zerwas, der sie zur Almada-Stube begleitete wie ein dunkler, prachtvoller Leibwächter. Sie sah seine wachsamen Augen auf ihr und der Umgebung, doch sie konnte in seinem Blick keine Liebe erkennen, denn sie war verborgen hinter einem unruhigen Geist, den er nicht nach außen weichen, nicht erkennen ließ. Stoisch schritt er voran, sprach über die Pferde, den Hof auf dem er arbeitete und über die Vergangenheit. Nie kam ihrer beider Zukunft über die Lippen – weder über seine, noch ihre.
Er scherzte auf seine aristokratisch-intellektuelle Art und gab ihr nonverbal zu verstehen, dass er sich gut fühlte, wenn sie bei ihm war – aber es war unverkennbar, dass sich auch unter seiner Oberfläche etwas zusammenbraute.
Phygius II entpuppte sich als junger Mann mit Augenglas, der Oliven liebte und aus dessen Taschen es bellte. Er ließ sich überzeugen, sie in die Brache zu begleiten, sofern man versprach, sich von schwarzen Türmen fern zu halten. Er erzählte, dass sein „Vormieter“ im Brachenturm ein Gildenbruder gewesen war, dem die täglichen Gefahren der Brache dann irgendwann doch den Gar aus gemacht hatten.
Er stellte seine offensichtlich chimärologisch erschaffene Belllilie Hassan vor und wollte Neferu am morgigen Tag am Blitzbaum treffen. Einige Stunden nach Sonnenaufgang.
Die Geschichten, die Phygius zum Besten gab und die Neferu mit Fragen anfachte, um dem Magier Interesse zu suggerieren, waren grotesk: Menschen die ins Wasser gehen wollten und magisch mit einem Hecht verschmolzen wurden, ein Bärwolfhai namens Hadrian, gefährliches Feuermoos und „unnette“ Hexen in der Brache. Der Mann war ganz eindeutig verrückt. Nicht wegen der Themen, die er auf Lager hatte, sondern wegen der Art, wie er sie vortrug. Fast leichtfertig… Eine traurige Kreatur, wie aus einer Tragikkomödie. Und der einzige, der ihr helfen konnte…

~

Den kommenden Morgen verbrachte sie mit letzten Vorbereitungen. Vom Artefaktmagier Erpelgrieb konnte sie ein kleines Windrad erstehen, das sich wild drehen würde, sobald sich etwas Dämonisches näherte. Es funktionierte allerdings nur ein einziges Mal. Ihre Tuchrüstung, um beweglich zu bleiben und nicht im Sumpf zu versinken, eine geweihte Waffe, Mondstaub, Steinsalz, Bannstaub, eine Decke mit einem Pentagramm… Sie ging alles noch einmal durch. Hatte sie etwas vergessen?
Mit Zerwas schritt sie in der aufkommenden Helligkeit zur Brache. Es fühlte sich gefährlich an, aufregend und vollkommen halsbrecherisch!
Neferu unterdrückte ein Zittern durch das Aufbeißen ihrer Kiefer.
An dem alten, gesplitterten Baum fanden sie Phygius, der bereits wartete.
Von überall her drangen Geräusche ohne ersichtliche Quelle auf sie ein, aus dem Augenwinkel schwankte knarrend etwas Baumelndes an einem Ast. Sie vermied genauer hinzusehen.
Ihr Weg führte sie auf einem Pfad entlang zu einem uraltem Boronsanger. Die Steine der Gräber waren bemoost und von Satinav ihrer Festigkeit beraubt worden. Viele bröckelten, andere waren zerbrochen.
Unschuldig. Stand da auf einem Grabstein. Einen Augenblick später etwas anderes: Travihilde 873 nBF.
Neferu gab sich alle Mühe, nichts von dem, was sie hier sah, besondere Bedeutung beizumessen. Innerlich sprach sie wiederholend zu sich selbst: Lass dich nicht täuschen, dir keine Angst machen. Es ist nur eine Illusion, um dir den Verstand zu kosten.
Da war auch ein Grab mit ihrem eigenen Namen… Schnell folgte sie der Richtungsangabe des Papiers, welches das Rätsel aufwies.
Hörner klangen durch den Nebel, Baumwesen griffen mit dürren Fingern nach den Eindringlingen, ein uraltes Pentagramm aus Steinen und Steinpilzen ließ sie sich orientieren.
Die Brache hatte ihre eigenen Gesetze, was die Zeit anging, es dunkelte gegen Mittag.
Ein Rauchfeld, undurchsichtig und beißend, raubte Neferu den Atem und die Sicht. Sie rief nach Zerwas, aber der antwortete nicht. Konnte es nicht. Er rang mit einer Kreatur..
..die urplötzlich verschwand, als sie einen Bärenschädel ertastete.
Der Schädel vom Rätselpergament…
Was war diese Brache nur? Eine Aneinanderreihung von Gefahren und unerklärlichen Phänomenen. Eine Brutstätte von allem, was den Zwölfen fern war.
Sie folgte stur den Richtungsangaben auf der Karte, ließ sich nicht locken und nicht rasten.
Überquerte eine absurd schöne Lichtung, ein Blumenmeer auf dem mitten darin eine goldene Statue des Götterfürsten stand.
„Mit blitzendem Stahle gegen finster Gezücht mit Schwarz gegen Schwarz, die Wahrheit vernichtet jedes Gerücht.“ Stand da in den nachtdunklen Sockel gemeißelt.
Mit Scheuklappen des Willens ausgestattet, ging sie vorüber, nach rechts. Ein Bach rauschte. Sie wurde schneller, als sie die drei Steine in seinem Bett wiedererkannte, die auf das Papier gemalt waren. Es konnte nicht mehr weit sein!
Der Wald wurde dichter, die wirren Äste niedriger. Sie bildeten ein Dach. Die Bäume wurde mit jedem Schritt, den sie zurücklegte bleicher…
Und dann erkannte sie auch diesen Hinweis: Das Knochenhaus!
Eine Tür führte hinaus.
Es war wie im Traum… In einem unnatürlichen Alptraum, in dem sich alles verformte und nichts fest stand.
Hinaus ging es auf eine Wiese blasser Tulpen in Menschengröße, die ihre Köpfe kränklich in den düsteren Himmel ragten.
Der Weg durch das Blumenfeld war lang und beschwerlich. Die absonderlichen Pflanzen wiegten sich, zwangen sich in die Wahrnehmung, wie eine Seuche breiteten sie sich aus. Wo eben noch keine gewesen war, wuchs eine Neue, die einen ohne Arme festzuhalten versuchte!
Phygius, Zerwas und Neferu bissen sich durch. Und irgendwann, außerhalb der bleichen Stauden erwuchs etwas anderes: Ein Felszacken mit silbernen Adern im Gestein.
Mit der Hilfe von Zerwas erkletterte sie den felsigen Finger und überblickte die Büsche. Dort sah sie in einiger Entfernung den See! Sie glich ab. Ja! Er ähnelte sogar der Zeichnung auf der Schatzkarte.
Neferu fühlte das Blut in ihren Ohren, ihre eiligen Füße hielt im Labyrinth aus Hecken in die Richtung, die sie für die Richtige hielt. Hinter ihnen wuchs der Weg zu einer verworrenen Mauer aus Dickicht…Und es wurde immer dunkler.
Bis sie an eine riesengroße Buche gelangten. Außer Atem – bis auf den Vampir – blickte sie in die Baumkrone hinauf. Die Wipfel schienen gesund und voller Leben. Da war sogar ein Rotkehlchen in seinem Geäst! Der mächtige alte Riese passte nicht in dieses verfluchte Land. Seine Blätter rauschten beruhigend in einem lauen Wind.
Und an seinen üppigen Wurzeln stand eine beschlagene Holzkiste.
Das Schloss war verzwickt, aber keine große Herausforderung.
Neferus Herz klopfte in aufgeregter Erwartung, als sie den Deckel aufklappte: Ein sauberes, weiches Handtuch lag darin. Die Stickerei verhieß, dass es sich um eines aus dem Seelander handelte. Darunter lagen eine leere Flasche Aquenauer Südhang und ein Paar schwarze Handschuhe mit dem Symbol des Listenreichen.
Ein sonniges Lächeln dominierte Nefs Mimik, als sie die Schätze begutachtete.
Sie zeigte sie Zerwas und auch er hob schwach einen Mundwinkel.

Als sie gegangen waren und die Hexe zurückblickte, war da nur der vom Blitz zerstörte, uralte Baumstumpf. Vom einstigen Leben in seinem mächtigen, sattgrünen Geäst war nichts mehr zu sehen und auch der Vogel war fort.

~

Salpico analysierte die Gegenstände. Handtuch und Weißweinflasche waren definitiv nicht magisch und lediglich Hinweise auf einen Ort: Den Seelander.
Die Handschuhe hingegen waren anderer Natur. Im dünnen, schwarzen Leder war Magie schwach verwoben. Astrale Spuren, die unter das Hotel führten, das sie ohnehin schon verdächtigt hatte, der nächste Schauplatz der phexischen Schnitzeljagd zu sein.

Bevor sie dem nobelsten der noblen Etablissements einen Besuch abstattete, tauschte sie die Ingredienzien, die sie in der Brache gefunden hatte bei Grabensalb ein.
Sie wollte sich ohnehin Zeit lassen. Die Brache hatte sie ausgelaugt. Neferu entschied, den Seelander gleich um einige Tage zu verschieben.
Wichtiger war ohnehin, sich mit Zerwas auszusprechen. Er war Jahre fort gewesen und sie hatte weitergelebt. Sie war nicht glücklich gewesen, aber das Rad der Zeit hatte sich gedreht.
Den ganzen Tag streunte sie durch Gareth.
Sie zeigte Phexdan die Grundlagen des Strickens, kümmerte sich um das Fohlen Elster, sah bei ihrer Freundin Duridanya vorbei, ließ Phexdan die Seele Dajins prüfen (wider erwarten war der Affe keine Kreatur der Niederhöllen) und nachdem sie den Stadtadvokaten TeGuden bei Sonnenuntergang nach Hause verfolgt und ihn einige Momente bespitzelt hatte, kehrte sie „Zuhause“ in Rosskuppel ein.
Zerwas wartete, starrte aus dem Fenster der Dachwohnung. Er hob den Kopf als sie kam. Ihrer beider Blicke verrieten, dass sie reden mussten.
Bis nach Mitternacht saßen die zwei Alterslosen beisammen.
Sie sprachen über die Bedeutung eines langen Lebens und über ihre Ziele.
Zerwas war die Unsterblichkeit gewöhnt. Er hatte ein Meer von Möglichkeiten und bisher war er an der Küste geblieben und nur deshalb erschien ihm diese unendliche Zeitspanne trist und grau. Neferu hingegen war noch mitten drin im menschlichen Leben. Die Ewigkeit hatte noch keine Spuren an ihrem Gemüt, ihrer Seele hinterlassen. Sie war gewöhnungsbedürftig für ihn in ihrer Menschlichkeit mit ihren menschlichen Gewohnheiten und Bedürfnissen. Er sprach aus, was an ihm nagte. Jahr für Jahr schien alles, was er tat, weniger Freude zu bereiten. In Trallop hatte er Männer (vermutlich großzügig) bezahlt, damit sie seinen Schatz aus dem Versteck in Greifenfurt bargen. Seine Unsummen, die da hinter der unsichtbaren Tür warteten. Er wollte das Geld investieren, für einen Zweck der Boronkirche. Neferu verstand nicht vollständig, was er vor hatte, aber sie war froh, dass er etwas verfolgte, das seiner Existenz einen weiteren Sinn gab. Einen guten Sinn, im Dienste eines der Zwölfgötter. Die Hexe konnte nicht anders. Sie musste in seinen Geist eindringen.
Sie hatte erwartet, dass sie an seinem Willen brechen würde. Dass er sie nicht durchlassen würde.
Aber es ging verhältnismäßig leicht, einen Blick zu erhaschen: Ein Häuschen im Horasreich, am Wasser gelegen. Ein Geldsack war auf dem Schild abgebildet. „Horas d’Or“ konnte sie lesen. Dann änderte sich das Bild und mehrere fein gekleidete Männer saßen in bürokratischer Manier beieinander in einem dunklen Raum. Männer einer Stiftung… Dann brach das Bild ab. Er fixierte sie. Sicher hatte er gemerkt, dass sie in seinen Kopf eingebrochen war. Doch er sagte nichts dazu, vielleicht hatte er es sogar absichtlich zugelassen.
Sein kühler Humor, die ruhige, bodenständige Art beeindruckten sie, wie es auch damals gewesen war.
Wenn er etwas für sie tat, hatte sie nie das Gefühl, dass er eine Gegenleistung erwartete. Und trotzdem.. Diese Art von Gefühlen reichten nicht. Und auch er zweifelte, wie sie feststellte. Ihrer beider Liebe war verjährt. Waren zu einer schönen Erinnerung aus Greifenfurt geworden. Zerwas‘ Ziele waren ein gewisses Maß an Macht und ein Denkzettel für Greifenfurt. Was waren ihre Ziele? Sie wollte sich etwas in Gareth aufbauen.. irgendetwas. Wie sollte sie das spezifizieren?
Es war nicht greifbar. Aber sie wusste, dass ihre Zukunft in Gareth lag. Wenigstens ihre nahe Zukunft.
Und jedes seiner Worte ließen sie erkennen, dass sie seine Stärke überschätzt hatte.
Der Verlust des Schwertes hatte eine tiefere Wunde geschlagen, als dieser stolze Mann preisgegeben hatte. Zurückgelassen hatte Seulasslintan einen unsterblichen Mann, der verunsichert war, der sich selbst nicht traute und sich nicht einmal wagte, sich einer Frau zu nähern, aus Furcht unkontrollierbar und unberechenbar zu werden.
Er hatte sich die letzten Wochen zurückgezogen. Er blieb lieber allein, erstickte im Keim schon jede aufkommende Leidenschaft und jedes forsche Gefühl.
Es tat Neferu weh, diesen einst so starken Mann so zu sehen. Es überkam sie der Wunsch, für ihn da zu sein, ihm zur Seite stehen. Sie wollte ihm helfen, sich selbst wiederzufinden.
Aber als Geschöpf des Gefühls wusste sie, dass sie ihm kein großer Nutzen sein würde und dass sie diese stoische Zurückhaltung wohl nicht lange würde ertragen können.
Und deshalb riss sie sich zusammen und überließ ihn sich selbst. Es war am Besten so.
Er – ursprünglich eine leidenschaftliche Kreatur – musste seine Selbstkontrolle perfektionieren, um die Kraft zu erlangen, wieder zu sich selbst zu finden.
Sie begrub den Gedanken, anknüpfen zu müssen, denn sie hatte verstanden, dass sie ihm die Sicherheit, die er brauchte nur geben konnte, indem sie bald schon getrennte Wege gingen.

~

Das Gespräch mit Zerwas klang in ihren Gedanken nach, als sie Tage später endlich zum Hotel Seelander ging.
Die Hintertür kam ihr Recht. Und ebenso der Fakt, dass Parel sich bis in dieses außergewöhnlich teure Hotel hochgearbeitet hatte.
Vor vier Jahren hatte er noch einige warme Mahlzeiten im Lowanger-Greiber-Waisenhaus bekommen, jetzt war er mit seinen fünfzehn Jahren fast raus aus den Kinderschuhen und steckte in einer geregelten Arbeit.
Und das im Seelander! Sie fühlte Stolz. Er war zwar nur für minderwertige Aufgaben verantwortlich, aber das im Seelander! Ihre Gedanken konnten es nicht oft genug wiederholen. Er war ihre Eintrittskarte. Mit seiner Unterstützung – auch wenn er erst intensiv überredet werden musste – konnte sie unbemerkt in den Keller gelangen.
Zuerst schien der Keller unscheinbar. Er hatte gewaltige Ausmaße und war randvoll mit Wein in Kisten, Fässern, Fässchen und Flaschen.
Die größten Fässer lagen auf ihrer Seite und hätten sicher einer kleinen Familie Platz geboten, wenn sie sich zusammengekauert hätten..
Auf einem der Fässer prangte: Aquenauer Südhang.
Hinter diesem erstaunlich leichten Fass für dieses enorme Ausmaß verbarg sich ein undeutliches Wandrelief im Stein. Einige Symbole waren da in den Backstein graviert, andere standen hervor.
Ein Sichelmond war darunter. Und das Drücken seiner Form öffnete einen schmalen Gang…