Gareth 26 (Salpico)
Kategorien: 1014 BFDer Puls der StadtGarethSalpicoSchwarze StudienZeitraum: RON 1014
Als er vor die Tür trat atmete er erst einmal tief ein. Es war noch früh am Morgen, die Sonne hatte noch nicht geruht in die Schatten der Schnittengasse hinab zu steigen und dennoch war es nicht ruhig. Obgleich die Straße, die der Magier hinab sah von nur wenig Menschen bevölkert war, so drangen doch aus anderen Gebieten der Stadt von den größeren Straßen her die Geräusche des Lebens auf ihn ein. Ohne jedes Anzeichen von Eile nahm Salpico sich einen Moment, um den Eindruck wirken zu lassen. Man nahm die Geräusche und einzelne Blickwinkel sehr viel genauer wahr, wenn man das tat. Es waren Momente an die man sich Jahre später noch erinnerte. Mit denen man auch dann noch ein Gefühl verband.
Solche Momente waren wichtig – umso wichtiger, wenn man ein langes und gefährliches Leben führte. Wenn man in der Lage sein wollte die Gesundheit seines eigenen Geistes auch dann noch zu erhalten, wenn die Welt um einen herum einen radikalen Wandel durchlief. Soviel hatte sein Mentor ihm unwissentlich bereits beigebracht und er wollte verdammt sein die Fehler des alten Mannes zu wiederholen, wenn er es denn vermeiden konnte.
Ein kurzer Blick über die Schulter zum Haus zurück zeigte ihm die Fassade hinter der er nun wieder lebte. Nun, da er aus Fasar endlich nach Gareth zurückgekehrt war. Die Fassade hinter der Sjören Vanderbloom sich mit ihm eine Wohnung teilte.
Langsam setzte er sich in Bewegung und folgte der Straße nach Westen. Die letzten Wochen waren voller neuer Erkenntnisse gewesen: Seine Sterblichkeit war ihm schmerzlich bewusst geworden, als er hilflos unter der attackierenden, brennenden Mumie gelegen hatte. Ohne seine Begleiter hätte Boron sich an diesem Tag seiner Seele bemächtigt. So erschreckend dieses Wissen war, so formend war es doch gewesen. Prioritäten hatten sich geändert, er hatte eine neue Seite an sich entdeckt – den Stolz – und er hatte erkannt, was seine Zukunft ausmachen sollte.
Aus seiner jetzigen Position heraus hatte er sich in einigen schlaflosen Nächten Gedanken gemacht, deren Ergebnisse er nun bewahrte.
Erstens: Er würde leben – und zwar nach seinen Wünschen. Dazu war es notwendig Entscheidungen zu treffen, die seinen Charakter festigen und formen würden. Entscheidungen wie die, sich von der Totenbeschwörung endgültig abzuwenden. Leichen zu erheben mochte in Notsituationen nützlich sein, aber es hatte sich als nicht alltagstauglich erwiesen. Zweifellos war das Detailwissen wertvoll – und sei es nur, weil er in seinen Lehrjahren viel über die Anatomie der Lebenden erfahren hatte. Und diese Lehrjahren waren es, die ihn in Form von Schulden noch immer verfolgten. Sie zu tilgen bedeutete einen Schritt hin zu der persönlichen Freiheit nach der er strebte.
Zweitens: Es gab Menschen, die waren wichtiger als andere. Das auszusprechen hätte vermutlich Empörung bei seinen Mitbürgern hervor gerufen, aber niemand konnte widersprechen ohne zu lügen. Und man musste sich zu jeder Zeit in seinem Leben bewusst sein, wer diese Menschen waren. In Gefahrensituationen galt es schnell und effektiv zu ihrem Schutz zu handeln. Neferu und ihre Familie gehörte dazu, Richard und auch sein Mentor. Vanderbloom ebenfalls. Von letzterem wusste er wo er sich befand. Was die anderen anging so war das nicht der Fall – das musste sich ändern.
Drittens: Er war ein stolzer Mensch. Was nicht meinte, dass er arrogant war – jedenfalls nicht offen. Vielmehr betrachtete er seine eigene Würde als unantastbar für Außeneinwirkungen. Sollte ärgerlicherweise der Fall eintreten, dass ein solcher externer Einfluss doch an seiner Würde kratzte, so war es notwendig und angemessen dieses Geschehen sofort aufzuhalten und wenn möglich umzukehren. So lächerlich es erscheinen mochte – das aktuellste Ärgernis war das antike Kleidungsstück, das sein Mentor ihm geschenkt hatte und das ein Opfer der Flammen geworden war. Seine Reste zu restaurieren war eines der vordringlicheren Ziele.
Viertens: Selbstbewusstsein war ein wichtiger Punkt jeder herausragenden Persönlichkeit, die als solche wahrgenommen werden wollte. Es war daher notwendig nach den eigenen Stärken und Schwächen zu forschen und sie auch dort zu finden, wo man sie nicht erwartete. Eines dieser eher überraschenden Talente hatte er erst kürzlich in Fasar entdeckt. Bei einer Operation am offenen Hirn hatte er erstaunliche Kunstfertigkeit bewiesen – auf einem Gebiet, das sich die Menschen besseren Standes einiges kosten ließen: Gesundheit.
Zu seinem Unglück beherrschte er lediglich die Wundbehandlung, wenn auch sehr gut. Was bedeutete, dass er sich eingehender mit der Behandlung von Krankheiten beschäftigen musste, um einen Wert für die Gesellschaft zu erhalten, die ihm einen Lebensunterhalt und auch die Verfolgung seiner Pläne langfristig garantierte.
Er bog auf die Puniner Straße ein und begann ihr nach Süden zu folgen. Da die Häuser von Nef wie auch von Rychard am gestrigen Abend leer gewesen waren, war es notwendig geworden das aktuelle Ziel zu korrigieren. Die Zeit bis zur Rückkehr der Hexe würde er damit verbringen jemanden zu finden, der ihn in die Kunst der Krankheitsbehandlung würde einweisen können. Aus den Erzählungen und Erfahrungen Neferus wusste er von einer Medica, die nahe am Puniner Tor eine Art Praxis betrieb. Sie war sein Ziel. Indem er ihr Hilfe anbot war es vielleicht möglich von ihrem Wissen zu profitieren. Wenigstens weit genug, um eine soldige Grundlage zu schaffen auf der er selbst während eigener Behandlungen weiter lernen konnte, worauf es zu achten galt. Davon abgesehen hatten die Echsen nahe Brabak ihm bereits einen gewissen Einblick gewährt.
Auf dem Platz vor dem Puniner Tor hielt er noch einmal inne, um den Anblick der wehrhaften Anlage in sich aufzunehmen. Seine Schulden zu tilgen war im jetzigen Augenblick möglich ohne seine eigene Barschaft endgültig zu erschöpfen. Außerdem hatte er die Erlaubnis Sjörens. Allerdings galt es danach rasch an gutes Gold zu kommen. Aus mehreren Gründen. Zwar war die Handlungsfreiheit nach Abzahlung seiner Ausbildungsschulden von einiger Relevanz, aber es gab noch andere Prioritäten für die das Edelmetall notwendig war.
Die Erste und Wichtigste davon war das Gestüt zu gründen. Nur mit ihm war es möglich weiteres Geld zu generieren, ohne seine ganze Lebenszeit hinein zu stecken.
Mit diesem Geld wollte sodann ein Zweitstudium der Heilung für Vanderbloom bezahlt sein – das Stipendium war Salpicos Versprechen an den liebgewonnenen Freund geworden, nachdem der seine Kräfte derart strapaziert hatte, um das Äußere des Adepten wieder zu dem zu machen was es einmal war.
Von dem was dann noch über war, sollten zunächst vier weitere Personen profitieren: Abdul Rethag, Tair, Mohammed und Lawin. Jeder dieser vier hatte entweder sein Leben für das seine in die Waagschale geworfen oder sein Leben auf andere Weise gerettet. Und es war ihm wichtig ihnen – und der Welt – zu zeigen, dass er das nicht auf die leichte Schulter nahm. Es war daher unausweichlich sie noch einmal zu entlohnen – oder in Abduls Fall anzustellen.
Ja, Loyalitäten waren wichtig. Sie bedeuteten Sicherheit, Ruhe und – ein Zuhause. Ein Zuhause wie das, was er aus dem Mittelreich zu machen gedachte. Hier im Kern des Reiches würde er leben und wirken. Natürlich würde er es verlassen um zu lernen, zu wachsen und zu helfen. Aber er hatte vor immer wieder hierher zurückzukehren. Aber dafür galt es seinen frommen Gedanken auch Taten folgen zu lassen.
Mit diesem Wissen setzte er sich wieder in Bewegung und hielt auf die Heilerstube zu.