Feqzjian

Grangor 23 (Feqzjian)

Noch einmal rückte Feqzjian den Stützverband zurecht, der sich über sein Nasenbein bog, dann nickte er zufrieden. Garions Faustschlag war lange nicht so gut gezielt gewesen, wie der Letzte. Sicher, seine Nase hatte füchterlich geblutet, aber keine Verletzung aufgewiesen, die der gute Trunk vom Heiler nicht wieder hatte beheben können.

Mit nachdenklicher Miene schob er sich an einem der Bettler vor dem Eingang zur Offenen Hand vorbei und sah über die Köpfe der Anwesenden hinüber zu dem hölzernen Geländer der Treppe, die sein Ziel war. Die Luft der niedrig gebauten Taverne war geschwängert vom Rauch schlechten Tabaks und dem Geruch billigen Bieres. Rasch drängte er sich in die Menge hinein, drängelte Leiber bei Seite und machte ausgiebigen Gebrauch von seinen Ellenbogen.

Als er die erste Stufe betrat, knarrte das Holz unter seinem Stiefel leise. Sein Blick huschte den Weg empor und verharrte am oberen Ende des Aufstiegs.
Immerhin habe ich versucht, um was sie mich gebeten hat.., huschte es ihm durch den Kopf. Mit der rechten Hand hielt er sich am letzten Pfosten des Geländers fest und schwang sich gut gelaunt nach rechts daran vorbei. Garions Auszeit war noch um einen weiteren Tag verlängert worden und er würde heute seine Ruhe allein mit Neferu haben.
Konnte dieser Tag noch besser werden?

Kurz bevor er die Tür zu seinem Zimmer erreichte, hielt er noch einmal inne.
Sie sagte zwar, dass ich mich entschuldigen und so lange bei Garion bleiben solle, bis er die Entschuldigung akzeptiert hätte, aber ich denke nicht, dass ich mich dafür in Lebensgefahr begeben sollte. Mal abgesehen davon, dass ich eher gegangen wurde, als es freiwillig zu tun.

Er nickte zufrieden. Ja, es gab nichts, was man ihm vorwerfen konnte. Mit einem letzten Schritt war er bei der Tür und öffnete sie ohne anzuklopfen.

Das Zimmer des Halbmaraskaners bot im Allgemeinen den gleichen Anblick wie immer. Überall lag Kleidung in den Ecken, auf dem Tisch standen mehrere angebrochene Flaschen mit klaren oder bernsteinfarbenen Flüssigkeiten, die Vorhänge waren kaum mehr als einen Spalt geöffnet obwohl es noch nicht dunkelte und das Bett war nicht gemacht. Die einzige, in Feqzjians Augen durchaus erfreuliche Abweichung der Norm stellte die gut gebaute junge Frau mit den vielen, geflochtenen Zöpfen dar, die mit einem angewinkelten Bein rücklings auf seinem Bett lag.
Neferu hatte sich eines seiner Bücher über Maraskan aus dem unordentlichen Stapel direkt neben seinem Bett gezogen und begonnen darin zu blättern. Als er eintrat schlug sie gerade eine Seite um, sah dann aber über den Rand des Werkes zu ihm auf.
„Und?“, fragte sie neugierig, ehe der Blick ihrer tannenfarbenen Augen kaum einen Augenblick später auf den Verband stieß, der sich über seinem Nasenrücken befand.
„Nein. Er hat dich schon wieder geschlagen?“ Neferu schlug mit ungläubigiger Miene das Buch zu und legte es bei Seite, dann stand sie auf und kam zu dem Geweihten des Fuchsgottes hinüber.
„Ich fürchte doch.“, antwortete er mit einem wehleidigen Lächeln und einem mitleidheischenden Tonfall. „Aber viel schlimmer ist, dass er meine Entschuldigung nicht annehmen wollte.“ Das hatte er einfach erwähnen müssen. Er, der er aussöhnend und auf ihren Wunsch in liebender Rücksicht zu dem Rondriten gepilgert war, um schmählich fortgescheucht zu werden – und das nicht nur verbal. Im selben Atemzug bemerkte er innerlich voll Zufriedenheit lächelnd, dass seine Worte Früchte trugen.
Die Lippen der grünäugigen Schönheit pressten sich unwillig aufeinander.
„Dieser Sturkopf!“
, schimpfte sie.
„Verzeih mir …“
, fuhr sie gleich darauf gnädiger fort, „ich dachte nicht, dass er dich erneut schlagen würde.“ Sanft glitt ihre Hand über seine unrasierte Wange, ehe sich ihr Gesicht in noch langsamen, von Scheu geprägten Bewegungen näherte. Ihre Lippen taten einen zaghaften Versuch und strichen sachte über die Seinen.
Der verführerische Duft ihrer Haut ließ ihn einen Moment wanken, ließ seine Gedanken vergessen wo er war und wer er war.
War dieser dezente, süßliche Hauch eine Nuance des Jasmin?
Ein erhebendes Gefühl durchflutete seine Nervenbahnen und hinterließ ein wohliges Kribbeln in seiner Bauchregion. Selten hatte er soetwas gespürt. Wenn er genau darüber nachsinnte – eigentlich niemals zuvor.
Inniger als sie ihn begonnen hatte, erwiderte er den Kuss und löste sich dann von ihr um sich auf dem Bett niederzulassen.
Mit zwei schnellen Handgriffen zog er seine Füße aus den dünnledrigen Stiefeln und warf sie unachtsam in seine favorisierte Ecke des Raumes, in der sich ein heterogenes Sammelsurium verschiedenster Habseligkeiten beinahe bis auf Brusthöhe stapelte. Bald hatte er auch diese Höhenmarke erreicht.
Das für nur eine Person ausgelegte Bett knarrte leise, als er sich auf den Rücken sinken ließ und die Arme unter seinem Kopf verschränkte. Alsbald erhielt er Gesellschaft: Mit flinken Bewegungen war Neferu an seiner Seite und schmiegte sich an ihn.
Vorsichtig löste er eine seiner Hände vom Hinterkopf und streckte den freien Arm nach ihr aus, um sie noch näher an sich zu ziehen.
„Ich habe morgen früh einen Termin.“, eröffnete Feqzjian leise, als sie ihre Wange katzengleich an seiner rieb, tief und wohlig einatmete und mit den schlanken Fingern ihrer linken Hand durch seine ewig zerzausten Strähnen strich.
„Oh …“, antwortete sie leise und rutschte wie auf Stichwort etwas von ihm fort, imme rnoch auf der Seite liegend, „dann sollten wir heute besser früh schlafen.“
Er musste unwillkürlich lächeln, als er mit den Fingern seiner rechten Hand über die Rundung ihrer Hüfte strich, um ihre verführenden Konturen nachzufühlen und sich ein weiteres Mal vorbeugte, um einen Kuss zu seinem zu machen.
Ihre Lippen empfingen seine wohlwollend, doch noch immer mit einer Spur Zurückhaltung. Er gab ihrer Unerfahrenheit die Schuld, auch wenn er gleichzeitig in seinen Gedanken unterstrich, dass von Schuld nicht die Rede sein konnte. Die ungewohnten Erfahrungen von Zärtlichkeit, der Austausch von Berührungen in Kombination mit ihrer Schüchternheit machten sie noch reizvoller und durchaus niedlich.
Wie er ihre Nähe liebte. Jedes Mal rief es bei ihm eine wohlige Gänsehaut hervor, ließ seine Handinnenflächen feucht werden. Noch einmal konnte er es sich nicht verwehren ihre Lippen in zärtlichem Sturm zu küssen, dieses Mal jedoch wagte er einen Schritt zu wiederholen, den er bisher nur gegangen war, als die geliebte Person zurück nach Grangor, zurück zu ihm, gekommen war.
Als ihre Lippen aufeinander stießen, öffnete auch sie ihren Mund und liebkoste seine vorstoßende Zunge voll Zuneigung und Hingabe. In sinnlicher Verbundenheit teilten sie den Platz seines schmalen Bettes, Arm in Arm und tauschten Küsse, die intensiver und zugeneigter nicht sein konnten.
Feqzjian schloss die Augen und sog die Luft des Zimmers tief in seine Lungen, während er diesen alveranischen Moment in all seiner erregenden Beschwingtheit auf sich wirken ließ.
Der Tag konnte also tatsächlich noch besser werden.

Durfte er die Dreistigkeit besitzen mehr zu verlangen? Alles in ihm forderte und sehnte sich nach mehr. Mehr Berührungen, mehr Nähe, mehr Neferu.
Neferu… Vor einem halben dutzend Monaten erst hatte der Zufall sie zu ihm nach Grangor geführt. Er formulierte seine Gedanken nicht aus. Wie das aufflackernde Licht eines Blitzes drangen schnell und ungreifbar einzelne Szenen ihrer bisherigen Bekanntschaft auf ihn ein. Die erste Begegnung auf der Brücke beim Schneider, der Tag im Garten hinter dem Tempel Efferds, die lange Unterhaltung Marans und Neferus, all das umspülte seinen Geist. Aber noch etwas anderes beschäftigte ihn. Wie im Fieber schien ihm sein Verstand umnebelt, niedergerungen durch den Eigenwillen seines Leibes.
Seine Fingerspitzen glitten stetig über ihre Schultern und ihre Taille, strichen ihr einen der vielen geflochtenen Zöpfe aus dem Gesicht, berührten wie zufällig ihre Brust. Er spürte mit jeder Sekunde das Begehren ansteigen, was sich in der Intensität seiner Küsse und seiner Bewegungen wiederspiegelte.

Da war sie wieder, ihre verhaltene Gehemmtheit… Überfallen durch soviel schiere Leidenschaft seinerseits zog sie sich zurück und unterbrach die Verbundenheit beider Körper.
Als sie sich aus dem Kuss befreit hatte, leckte er sich schnell atmend durch seine nun wieder gezügelte, doch zuvor ungestüme Annäherung über die Lippen. Sein Hals war trocken. Konnte er es tatsächlich wagen? Zu spät… Die Frage hatte bereits angefangen über seine Lippen zu gleiten und seinen Wunsch zu äußern.
„Darf…ich deinen Po berühren?“
, entkam es ihm leise und mit verlegenem Zögern. Sie lagen sich gegenüber, fast Stirn an Stirn. Seine dunkelgrünen Augen blickten durch die eben herrschende passionierte Inbrunst glasig und gedämpft in ihre, in welchen trotz des Sinnenreizes der Lust noch immer Ruhe und Vernunft die Überhand hatten.
Beinahe sofort erstarrte Neferu an seiner Seite und hielt den Atem an. Er konnte sehen wie sich ihre Lieblingsfarbe Rot auf ihrem Gesicht ausbreitete und er war sich für einen Moment sicher, das Blut in ihre Wangen rauschen zu hören. Dann erreichte ihre unsicher geflüsterte Antwort sein Ohr. „Ich…Ja, ich denke schon…“
Seine Finger ließen sich das nicht zweimal sagen und während er durchdringenden Augenkontakt hielt, wanderten sie ihre Hüfte hinab, bis diese in den sanften Schwung ihres Pos überging, dessen Wärme und Weichheit er durch den Stoff ihrer blauen Hose hindurch vorsichtig betastete.
Es war das erste mal, dass er den Körper einer Frau auf diese Weise an so einer Region berührte. Und soweit er wusste, war es auch für die wunderschöne Halbtulamidin die erste Erfahrung dieser Art. Zumindest hatte sie ihm noch nichts Gegenteiliges erzählt.
Einen Moment hielt er inne und genoss die Wärme ihres Leibes, die durch den Stoff der Hose an seine Hand gelangte, dann beugte er sich erneut in hitziger Gier über sie und brannte ihr einen verschlingenden Kuss auf die Seite ihres Halses.
Bei Rahjas Rosen.

Neferu schob sich innig in seine Arme und legte ihren Oberkörper auf seine Brust, nachdem er sich durch sanfte Gewalt hatte überzeugen lassen, sich auf den Rücken zu drehen. Phexdan spürte die angenehme Wärme des geliebten Körpers, genoss die traute Zweisamkeit, die die heitere Göttin den Liebenden schenkte. Seine Welt war perfekt, als er Neferu fest an sich drückte und sein Gesicht in ihrem rotbraunen Haar vergrub, das zu Zöpfen geflochten waren.
Dann schien sie die grausame Absicht durchsetzen zu wollen, den Zauber zu beenden.
„Phexdan… Wir sollten wirklich schlafen.“
, damit drehte sie in seinem Arm herum und zeigte ihm nur noch ihren angekleideten Rücken.
Innerlich seufzte der Bettlerkönig.
Nebenbei entschied er, dass es dringend an der Zeit war, dass er sie auf die korrekte Aussprache seines Namens hinwies.
Dicht rückte er an sie heran, spürte wie sich ihr Po an seine Lenden drückte und wie ihre Hand nach der Seinen griff, als er seinen Arm wie zum Schutz über sie legte.
Mal sehen ob ich schlafen kann, Bruderschwester…

Minuten später starrte er noch immer auf den dunkelroten Stoff direkt vor seiner Nase. Trotz der Dunkelheit des Zimmers, Neferus beruhigender Nähe und des weichen Kissens wollte seine Erregung der Erschöpfung ihr Recht verweigern.
Mit einem Kloß in der Kehle ließ er seine Hände abermals über den Leib der Geweihten gleiten, berührte ihre Haut, wo sich ihm die Möglichkeit eröffnete.
Die Schranken ihrer Kleider hatte er längst frech durchbrochen. Hemdsaum und Hosenbund stellten für die flinken Finger des Halbmaraskaners kein Hindernis mehr dar.
Einen Moment zögerte Feqzjian, dann tastete er sich fahrig an den Rundungen ihres Körpers entlang.
„Es gibt so viel zu erkunden…und ich bin neugierig.“, flüsterte er in ihr nahes Ohr.
Ein phantastisches Gefühl strömte durch seinen ganzen Körper, während der waghalsige Pionier ihre Haut berührte.
Unter seinen Fingern erbebte und zitterte der Leib der jungen Frau.
Seine Sinne mussten ihm einen Streich spielen, anders konnte es nicht sein. Tief in seinem Innern meinte er ein amüsiertes Lachen zu hören. Wie viel von seiner lustvollen Schwester doch in dem Gott mit dem schelmischen Zwinkern verborgen lag.
Ihm wurde heiß.
Niemals hatte er zu hoffen gewagt, dass er seine ersten Berührungen dieser Art mit einer Frau wie Neferu austauschen würde. Mit einer Frau, deren Witz, Charme und schlichte Eleganz ein Zusammenspiel bildeten, wie Rur es in seiner Schönheit nicht besser hätte schaffen können. Er biss sich auf die Unterlippe, um sich zurück in die Realität zu holen, um sich nicht endgültig durch den Strom der rahjaischen Gelüste fortreißen zu lassen.
Er musste auch jetzt einen kühlen Kopf bewahren, aber gerade das, was ihm normalerweise so leicht fiel, schien nun nahezu unmöglich. Nie war es ihm so wenig falsch vorgekommen den Verstand zu verlieren wie jetzt.
Seine ungleich längeren und breiteren Finger umschlossen ihre, ehe er ihre Hand zu sich nahm und auf seiner warmen Brust ablegte. Er schauderte. Wieder ein gutes, neues Gefühl von dem er schon jetzt nicht genug bekommen konnte. Er fühlte sich hungrig nach ihren Berührungen und kam sich gleichermaßen unersättlich vor.

Ihre schmalen Finger glitten unsicher, aber schier sanft seine muskulöse Brust hinab, auf seinen Bauch und strichen an seinem Nabel vorbei, bevor sie einen schmalen Streifen dunklen Haares entdeckten.
Sich vorsichtig auf die Seite drehend, überwand er erneut, diesmal etwas unwirscher den Bund ihrer blauen Hose, die ursprünglich die seine gewesen war. Er hatte sie mit ihr geteilt, sie ihr überlassen. Und da war noch viel mehr, das er mit ihr teilen und ihr überlassen wollte …
„Ich liebe deine Berührungen, Neferu.“, er schluckte trocken, als sich die Worte seiner Kehle heiser entrangen und die schützende Decke des Schweigens zerrissen.
Die Reaktion Neferus kam unterwartet. Schnell, beinahe furchtsam wandte sie ihre Front von ihm ab, der Wand entgegen.
Feqzjian musse ungewollt Lächeln, setzte sich auf und griff nach ihrer Rechten. Keine Angst, Bruderschwester, Füchse beißen nicht – nicht fest zumindest.
„Hast du Angst…?“
, fragte er sie leise, ehe er sich halb über sie beugte und ihr einen zärtlichen Kuss in die Handfläche drückte, um ihre Unruhe zu vertreiben.
„Sieh mich an. Ich gehöre ganz dir.“

Als sie antwortete klang ihre Stimme weniger unruhig, denn bitter und herausfordernd: „Das habe ich schon von vielen Männern, viele Male gehört. Ich war schon vier Mal verheiratet.“
Ein weiteres ungesehenes Lächeln glitt über die ansehnlichen Züge des jungen Mannes, als seine Finger in die Freiräume zwischen ihren glitten. Neferu war keinesfalls älter als zwanzig Götterläufe. Vier Hochzeiten und vier Trennungen bis zu diesem Zeitpunkt sagten mehr als 1000 Worte über die Ernsthaftigkeit mit denen diese Ehen geführt worden waren. „Ich…War Heiratsschwindlerin, habe die Unschuld vom Lande gespielt, die sich geziert hat. Brauchte das Geld. Ich bin mit den Männern nie bis zum Äußersten gegangen.“, gestand die süße Stimme neben ihm leise ein. Hatte er es doch geahnt …
„Aber du hast es noch nie von mir gehört. Glaube mir, wenn ich es sage.“
, versicherte er ihr und schwang seinen Körper auf den ihren, legte seine Knie rechts und links neben ihrer Hüfte ab und führte ihre Hand zu seiner Wange.
„Ich bin noch unberührt.“
, fügte er im Flüsterton hinzu. Das musste ihr Interesse wecken, er konnte vollständig ihr gehören. Wieder war die Antwort der schönen Lippen unerwartet: „Ich auch… aber nicht aufgrund eines Versprechens wie bei dir, sondern weil ich es wollte. Glaub mir, es war nicht immer leicht…Und es gab viele Dutzend Gelegenheiten …“ Sie hatte den Spieß umgedreht und ihr Ziel nicht verfehlt, er konnte geradezu drängend spüren, wie sein Interesse an ihr ins Unermessliche wuchs.

Einen Moment herrschte eine gespannte Stille. Nun kommt es darauf an die richtigen Worte zu finden, Bruderschwester. Gib dir Mühe oder du machst alles kaputt. Noch einmal befeuchtete er seine Lippen und setzte zum Sprechen an: „Das…macht es umso wertvoller.“ Ein weiteres Mal küsste er sie und spürte, wie Neferu sich ein wenig entspannte.
Seine Antwort war gut gewesen, dessen war er sich nun sicher. Vielleicht war heute ja doch die Nacht der Nächte. Berauscht von dieser Vorstellung drängte er sich zwischen ihre Beine und sah wie gebannt in ihr nahes Gesicht hinab. Ihr Blicke begegneten sich, als er einen festen Ruck spürte und von Neferu hinab zurück auf das Laken der Tatsachen rollte. Hattest du es dir bei einer Frau wie ihr wirklich so einfach vorgestellt? Er spottete in Gedanken über sich selbst, als sie sich auf die Seite rollte um ihn anzusehen. Zitternd erklang ihre Stimme: „So viele Jahre habe ich mir bewahrt, was du jetzt unbedingt willst. Ich werde dir alles geben, aber erst…wenn wir den Bund geschlossen haben.“
Er schluckte leise. „Dann… nimm mir den Eid ab. Nur du sollst meine Strafe bestimmen, wenn ich ihn breche….“, seine Stimme bebte, als er sprach. Kaum waren seine Worte verklungen, drang wieder der weiche Ton Neferus an seine Ohren. „Ich…darf mir jede Strafe ausdenken, die ich gut heiße?“
Er spürte wie Gänsehaut seinen Leib hinauf kroch. Dann nickte er. „Ja, so ist es, fordere was immer du willst, ich werde auf deine Bedingungen eingehen.“ Wieder spürte er deutlich wie trocken seine Kehle war, sogar seine Stimme hatte ein wenig gekrächzt.
„Und wann willst du den Bund eingehen?“,flüsterte sie.
Für einen Moment lang glaubte er nicht genügend Luft zu bekommen, ehe er hervorbrachte: „Morgen, am besten noch Heute … Ich will, dass du endlich mein Eigen bist.“
Ob er mit diesem offenen Geständnis zu weit gegangen war? Immerhin hatte er Neferu soeben vollständig und unwiderruflich für sich beansprucht und dabei nicht unbedingt die Worte gewählt, die ein in Freiheit lebender Mensch gerne hörte.
Einen quälenden Moment lang herrschte atemlose Stille, dann flüsterte ihre Stimme nahe an seinem Ohr: „Du sollst mich zuerst lehren …“
Ein erschöpftes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Ja, Bruderschwester, du bist ganz eindeutig dem humorvollen Gott zugetan, aber warum sollte ich dir diesen Triumph verwehren? „Alles…“, hauchte er sanft in ihr Ohr,„…wir werden gemeinsam Erfahrungen sammeln.“ Neferus Stimme war, wie erwartet, von triumphierenden Klängen durchdrungen als sie ihm antwortete. „Nicht wie du jetzt gerade meinst…Bringe mich Phex näher…Versprich es!“
In einer schnellen Bewegung zwang er sie auf den Rücken und schob seinen Körper auf ihren und drückte sich an sie. Wieder war ihm kein Erfolg beschieden. Sanft aber entschieden schob sie ihn von sich und versuchte seine Aufmerksamkeit auf etwas weniger Verfängliches zu lenken.
„Zuerst habe ich gedacht…du seist der Mond.“ Das erheiterte Lachen, dass in seinem Inneren begann, trug bis nach außen. Zwar wusste er nicht genau ob sie wahr sprach oder etwas erfand, aber er war sich sicher, dass sie fieberhaft nach Worten suchte, um die Stunde der Wahrheit herauszuzögern.
„Hast du das?“, fragte er leise.
„Ja, du warst so schön…“, raunte sie in sein nahes Ohr und streichelte mit einer Hand seinen Nacken,„…und ich habe noch nie einen helleren Stern gesehen.“
Sie meinte also was sie sagte. Er war sich des Umstandes durchaus bewusst, dass seine Kenntnisse die der meisten Phexgeweihten übertrafen. Aber selbst er hätte sich bei aller Liebe zur Einbildung nicht mit dem Mond messen wollen. Sein Auftreten musste sie wahrhaft beeindruckt haben. Ihre Finger an seiner Haut stockten, als sie über das Lederband fuhren, an dem er noch immer den Schneeflockenanhänger trug, den sie ihm geschenkt hatte.
„Du trägst ihn noch…“ flüsterte sie leise. Offensichtlich gab sie sich weiterhin größte Mühe ihn von den Vorzügen ihres Leibes abzulenken.
„Ja, natürlich…“ wisperte er schmunzelnd, ehe er entgegen ihrer Bemühungen erneut alles daran setzte ihren Körper zu erfahren. Neugierig küsste und tastete er.

„Ich liebe wie du riechst…deinen Duft… ich liebe deine Haut so dicht an meiner… deine Fingerspitzen, wie sie mich immer wieder berühren.. ich liebe es, wie sich deine Finger in meinem Haar verkrampfen.. Ich liebe, wie du dich bewegst. Ich liebe… dich.“, gelang es ihm durch den Nebel, der sein Hirn umgab zu flüstern. Er erschauderte, als er hörte, wie rauh seine eigene Stimme klang. Dann war Neferu von einem Lidschlag auf den anderen auf ihm. Seine Lunge füllte sich scharf mit der warmen Luft des Raumes, als sie aus dieser sitzenden Position auf ihn hinab sah.
Die Stimme, der man das verschmitzte Lächeln ihrer Besitzerin anhören konnte, erklang leise und fordernd:„Wenn du mich wirklich liebst… zeig mir wie sehr.“
Für einen Moment blinzelte er in das Dunkel und stockte. Wie sollte er jetzt und hier zeigen können, wie sehr er sie wirklich liebte? Dann aber gehorchte ihm sein Verstand wieder und kurzentschlossen umschlang er ihren Oberkörper und begann zu drücken, presste sich dicht an sie, versuchte sein Gefühl in die Kraft seiner Arme zu legen.
Nicht unbedingt geistreich, wie er sich selbst eingestehen musste, aber immerhin – er hatte überhaupt reagiert.
Als auch der Druck ihrer Arme zunahm löste sich seine Anspannung, sie fühlte, was er auszudrücken versucht hatte.
Er ließ sich mit ihr in die Kissen zurücksinken. Die Körper der Zwei schienen beinahe durch die Umarmung ineinander verkeilt.
Jetzt war seine Chance gekommen! Mit einer schnellen Bewegung drehte er seinen Körper zur Seite und nutzte den Schwung um sich auf das Objekt seiner Begierde zu stürzen.
Er war am Ziel, zwischen ihren Beinen. Endlich spürte er den Leib unter sich, den er sich sehnlichst genau dort gewünscht hatte.
Sein innerer Jubel fand ein jähes Ende, als er das Lachen Neferus hörte und spürte wie sie ihn von sich herunter warf.
„Glaub nicht, du kannst dir heimlich erschleichen, was du nicht sofort bekommst, Füchschen…?“
, flüsterte sie neckisch in sein nahes Ohr, als sich unter ihm wieder nichts als das Stofflaken seiner Bettstatt befand.
Immer wieder erinnerte sie ihn mahnend wegen der voranschreitenden Uhrzeit an das frühe morgendliche Aufstehen und jedes Mal trieb es ein innerliches Schmunzeln in seine Gedanken.
Immer wieder stellte sie leise Fragen. Er quittierte mit einem Lächeln, dass sie mehr über ihn erfahren wollte und diese Gelegenheit nutzte, in der sie ihn ihr ausgeliefert glaubte.
„Wo kommst du her?“ wisperte sie ihm entgegen.
„Meine Eltern kamen aus Maraskan…“ war seine leise Antwort. Maraskan. Er wusste aus ihren Erzählungen genau, dass er mit diesem Fleckchen Erde nur punkten konnte.
„Warum nur habe ich mir das nur gedacht?“ lächelte sie fast heiter. „Und wer waren deine Eltern?“
„Mein Vater war ein Sonnenlegionär, meine Mutter eine Maraskanerin… Wir wurden schikaniert… und gingen nach Grangor… ich blieb. Mir gefiel die Stadt… meine Eltern leben wieder auf Maraskan..“ flüsterte er, nicht innehaltend ihren wohlgeformten Leib zu studieren.
„Phexjian von Tuzak“. schmunzelte sie intuitiv, ohne zu wissen wie Recht sie doch hatte.

„Von all dem hier… haben die Rahjapriester erzählt..“ atmete er schwer, während er ihre Wange streichelte.
„Du bist Rahjas Tochter… Du bist… ihr Meisterwerk…“ raunte er ihr mit mitteltiefer Stimme sanft und begehrend gleichermaßen zu, während er sie an sich drückte und ihren Herzschlag spürte.
Sie lachte leise. „Lass das nicht die Rahjapriesterinnen hören…“
„Was kümmern mich diese Pfaffen..“ wisperte er verächtlich, während Neferu ein weiteres Mal begann sich von ihm zu lösen, um ihm mit ihren warmen Lippen die Vernunft zu rauben. Seine Hände verkrampften sich im Laken, während er genoss, was sie ihm schenkte. Er spürte wie seine Augen vom Sinnesrausch feucht wurden, wie seine Hände zitterten.
„Bleib für immer bei mir… Ich will.. dass du mir ganz gehörst… Was muss ich tun?“ Auch seine fahrige Stimmte versagte ihm fast ihren Dienst und erklang leise und unwirklich – Denken war zäh wie Honig.
„Ich sagte dir doch… der Traviabund..“ erinnerte sie ihn ruhig.
„Lass ihn uns schließen… gleich morgen…“ bat er leise und ernst.
Ihre Stirn runzelte sich sachte: „Soetwas braucht doch Vorbereitungen..“
„Es ist alles vorbereitet…“ beschloss er und leckte sich über die Unterlippe. Das Rauschen des eigenen Blutes in seinen Ohren ließ ihn fast die Worte nicht verstehen, die er selbst sprach.
Sie gab keine Antwort mehr darauf, sondern beließ es dabei.

Grangor 22 (Feqzjian)

Feqzjian oder Phexdan, wie ihn die Leute hier in Grangor nannten, streckte sich.
Es tat gut die Wärme des Bettes länger zu nutzen, als die meisten Horasier für schicklich befunden hätten. Gemächlich drehte er sich auf die Seite und wuschelte sich durch die chaotisch abstehenden Haare.

Bald würde Neferu zurückkommen und dann konnte der Tag beginnen. Nur kurz sah er zu dem kleinen Fenster des Herbergszimmers hinüber. Das Fenster war ein Stück weit geöffnet und ließ den Lärm der Menschen vor der „Offenen Hand“ zu ihm ein. Das fröhliche Treiben erinnerte ihn an die Zeit in Tuzak, wo jederzeit Rufe, Gesänge und Streit durch die Straßen und Gassen der Stadt schallten. Dumm nur, dass er sein Gesicht in Tuzak nicht offen zeigen konnte. Dieser vermaledeite Jagrash ibn Fazim! Schon der Gedanke an diesen Hurensohn ließ ihn die Gemütlichkeit seiner warmen Schlafstatt sträflich missachten.

Mit dem Schwung seiner Beine erhob er sich aus dem Bett und ging zu dem Fenster hinüber, um es zur Gänze zu öffnen und hinaus auf die verstopfte Straße zu sehen. Wo Neferu wohl blieb? Sie hatte doch nur kurz zur Garde gewollt um mit Garion zu reden.
Sein Blick glitt über die vielköpfige Schar am Fuße des Hauses. Die Menschen dort unten bildeten eine farbliche Einheit von Graublau, sodass er Neferu nur an ihren Haaren hätte erkennen können. Missmutig verzog er das Gesicht und wandte sich wieder in das Zimmer hinein. Er musste sich waschen und anziehen, so würde er weniger Zeit verlieren, wenn seine Geliebte zurückkehrte. Ein suchender Blick tastete sich über das Chaos, das in dem Zimmer des Phexgeweihten herrschte. Überall lagen Wäsche, Bücher, Dokumente und Schmuckstücke – für das ungeübte Auge ein absolut konfuses Wirrwarr verschiedenster Gegenstände.
Nicht so für den gebürtigen Maraskaner. Zielstrebig hielt er auf den Haufen der sauberen Kleider zu und griff sich eine dunkle Hose mit einem passenden Hemd. Innerlich verfluchte er die farbliche Eintönigkeit dieser Stadt, aber um nicht all zu sehr aufzufallen, war es notwendig sich anzupassen.
Auf dem Weg zum Waschtisch hinüber warf er die Sachen auf sein Bett und griff mit trockener Kehle nach einem halbvollen Becher mit billigem Wein, der vom Vorabend übrig geblieben war.
Bei der Schönheit, ist das Zeug bitter! Mit einem Schaudern leerte er den Becher so schnell er konnte und stellt ihn auf das niedrige Beistelltischchen neben dem Bett zurück.
Rasiert hatte er sich erst vor zwei Tagen, eine erneute Rasur war also noch unnötig, befand er und tauchte seine Hände in die Schüssel mit kaltem Wasser, um sich damit das Gesicht zu waschen.
Das eisige Wasser weckte seine Lebensgeister. Mit neu erwachtem Elan warf er sich zwei, drei Hände voll Wasser unter die Arme und in den Schritt. Er hatte nie verstanden, was manche Leute an warmem Waschwasser fanden. Es ermüdete, es war zu heiß und es verleitete einen dazu seine Zeit faul in einem hölzernen Bottich zu verschwenden. Leise prustete er das Wasser aus seiner Nase und griff nach einem am Boden liegenden Handtuch um sich abzutrocknen.
Ein Genius überblickt eben das Chaos, dachte er bei sich und warf das Tuch mit der verwaschenen, grauen Farbe zur Seite von sich. Wie von Rur geschaffen durchquerte er das Zimmer und kehrte zu seinem Bett zurück, auf dem er Hemd und Hose mit der warmen Hand ein wenig glatt strich.
Es galt immerhin einen gewissen Eindruck in dieser Stadt aufrecht zu erhalten. Während von draußen der flehende Gesang eines Bettlers hinein drang, zog er seine Hose über und schnürte das Hemd vor seiner Brust zusammen. Der Tag sah warm aus, mehr würde er nicht benötigen.
Mit gerunzelter Stirn betrachtete er das unaufgeräumte Zimmer. Nun hieß es nur noch seine Stiefel zu finden …

Auf dem Flur ertönten Schritte. Feqzjian unterbrach seine Suche und hob den Kopf an um zu lauschen. Genagelte Sohlen, ohne Zweifel, aber der Schritt war schnell und nicht schwer. Was sich näherte war auf jeden Fall weiblich und leicht. Rasch stellte er sich aufrecht hin. Auf gar keinen Fall würde er sich die Blöße geben gerade nach etwas zu suchen, dass er verlegt hatte, wenn Neferu zurückkehrte! Mit schnellen, leisen Schritten huschte er zum Bett und ließ sich leise hinein gleiten – keinen Augenblick zu früh. Die Tür zu seiner Behausung öffnete sich und gab den Blick auf die dunkelhäutige Schönheit mit den tannengrünen Katzenaugen frei. Sie sah ein wenig ungehalten aus, wie er fand – niedlich. Er legte ein Lächeln auf seine Lippen und verschränkt die Arme hinter dem Kopf.
„Da bist du ja wieder.“, eröffnete der Maraskaner das Gespräch und zeigte ihr in einem schmalen Grinsen seine ebenmäßigen Zähne.
„Du hast Garions Haftstrafe verlängert! Und ich bin mir sicher, du warst es auch, der dafür gesorgt hat, dass der Fäkalieneimer über ihm ausgeleert wurde!“, ihre Augen verengten sich zu ungehaltenen Schlitzen, als sie die Tür hinter sich mit ein wenig mehr Schwung als nötig ins Schloss warf und auf ihn zu kam.
Schnell setzte er sich aufrecht hin. Sie war aufregend wenn sie wütend war, ohne jeden Zweifel.
„Bist du auch böse auf den Fuchs, wenn er eines deiner Hühner reißt?“, wagte er mit einem kecken Lächeln zu antworten und leuchtete mit seinen grünen Augen ihr Gesicht aus, während er seine Unterlippe ein wenig nach vorne schob. Die Schöne stutzte und wirkte einen Moment irritiert, ehe sich ihre Mundwinkel langsam aber sicher hoben.
Gratulation, Feqzjian, mein Freund, das war es, was du sagen musstest.
Er erhob sich aus dem Bett und trat der Frau die er in sein Herz geschlossen hatte entgegen, um sie in die Arme zu schließen.
„Nein, Phexdan! Ich muss dir böse sein! Du hast einen meiner engsten Freunde misshandelt!“, erhob sie einen wankenden Einwand, verstummte aber, als seine Lippen die ihren berührten.
Seine Hand glitt in ihre Haare. Diese warmen, dunklen, duftenden Haare. Dann drückte sie ihn ein wenig von sich.
„Warum hast du das getan?“, verlangte der göttliche Mund zu wissen und verzog sich schmollend. „Er hat angefangen. Kam einfach auf mich zu und hat ohne ein Wort zugeschlagen. Jemand musste seine Mütchen kühlen.“, wieder ließ er ein gewinnendes Lächeln über seine Lippen gleiten und griff nach ihrer Hand.
„Phexdan. Du wirst dich entschuldigen gehen, hörst du? Du findest ihn im Rondratempel.“ Er seufzte leise.
„Ja, sicher werde ich das.“, ein beiläufiger Blick striff seine Stiefel. Feqz sei Dank, schoss es ihm durch den Kopf, als er danach griff und sich auf die Kante des Bettes sinken ließ um sie überzustreifen.
„Und ich gehe jetzt gleich. Je schneller ich das hinter mir habe, desto besser.“ Mit einem letzten Blick zurück, begleitet von einem Lächeln von dem er hoffte, dass es charismatisch wirkte, verließ er das Zimmer und nahm die Treppe hinab in den Schankraum.
„Gaftan! Gib mir rasch ein Brot auf die Hand, ich habe nicht viel Zeit. Bin auf ‘ner wichtigen Mission.“, rief er dem Wirt mit der Halbglatze und den hängenden Wangen zu, als er sich auf das Ende der Theke lehnte, dass der Treppe am nächsten war.
Zwar hasste er es im Stehen – und erst recht im Gehen – zu essen, aber der Gedanke daran Garion wie einen gefangenen Löwen besuchen zu können und zu wissen, dass er wohl verwahrt noch einige Tage von Grangors Straßen verschwunden bliebe, besserte seine Laune.

So dauerte es nicht lange, bis er leise pfeifend auf die Straße zum großen Rondratempel abgebogen war. Sein Blick glitt an dem mächtigen Steinbau hinauf, von dem er wusste, dass er auf einer stabilen Insel und nicht nur auf Stelzen im Wasser errichtet worden war. Die Tore dieser Festung standen weit offen, wie es immer der Fall zu sein schien. Nicht zum ersten Mal fragte Feqzjian sich, welchen Sinn eine Festungsanlage hatte, deren Tore ständig geöffnet waren. Mit gerunzelter Stirn nickte er den schwer bewaffneten Wachen am Eingangstor zu und durchmaß gemessenen Schrittes die Haupthalle des Tempels, eher auf den am wenigsten kriegerischsten Menschen, den er ausmachen konnte zuhielt.
Eine blonde Frau, recht groß und breit gebaut, aber dennoch recht weiblich wandte sich zu ihm herum, als er sie ansprach.
„Rondra zur ewigen Ehre. Was kann ich für euch tun, Bürger?“, erklang eine Stimme, die vor Befehlsgewalt nur so triefte. Er schluckte leise. Wenn dies tatsächlich die harmloseste Person in dieser Vorhalle war, wollte er mit den anderen lieber gar nicht erst reden.
„Ich…nunja…ich suche den Herrn Garion Rondrior von Arivor. Ich möchte ihm meine Aufwartung machen.“, presste er hervor. Bei Phex, du hattest auch schon bessere Ausreden auf Lager.
Die Frau musterte ihn einen Moment lang, nickte dann aber knapp.
„Ganz wie Ihr meint. Aber lasst euch gesagt sein, dass er in letzter Zeit hart von der Göttin geprüft wurde, möglicherweise ist er ein wenig ungehalten. Hier entlang.“, es klapperte drohend, als ihre beschlagene Schwertscheide gegen ihren gepanzerten Schenkel schlug, während sie sich einen Weg durch die Betenden bahnte.

Nur kurze Zeit später fielen die Geräusche der Betenden hinter ihnen zurück, als sie in einen Gang einbogen, der bestenfalls genug Platz für zwei Personen Phexdans Größe und Breite bot. Ob einer zurückgehen muss, wenn sich Garion und die Dame hier auf dem Flur begegnen? Als die Frau auf eine Tür zeigte, sah er vor seinem inneren Auge noch immer Garion, wie er jeder Manövrierfähigkeit beraubt, rückwärts durch die Gänge des ehrwürdigen Tempels wankte.
„Hier ist es. Klopft an, bevor ihr eintretet. Ihr seid hier Gast, vergesst das nicht.“, ein lauernder Blick traf den Geweihten, ehe Selissa sich zum Gehen wandte.
Einen Moment lang sah Feqzjian ihr nach. Irgendwas stimmte nicht. Er legte die Stirn in Falten, atmete tief durch und ballte die Faust, um an die Tür zu klopfen. Der Schlag hallte in dem niedrigen Gewölbe unnatürlich laut wider und im Anschluss herrschte einen Moment unbehagliche Stille. Wofür genau sollte er sich eigentlich entschuldigen? Es war nur gerecht, dass er einen Angriff auf seine Person mit einer Demütigung gegen Garion vergolten hatte. Er kaute auf seiner Unterlippe herum, als sich schwere Schritte der Tür näherten. Er wusste, dass seine Entschuldigung bestenfalls halbherzig werden würde, immerhin sah er bei sich keinen Fehler. Da konnte er ebenso gut bei der Wahrheit bleiben. Direkt hinter der Tür erklang die Stimme des Rondriten: “Neferu…?“

Die Tür öffnet sich. Garion, gehüllt in dunkelblaue Kleider im unauer Stil stand im Türrahmen und hob offenkundig überrascht von einem derart unerwarteten Besuch die Brauen.
„Nein, aber ihre weitaus schlechtere Hälfte.“, erwiderte der Maraskaner mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. „Phexdan? Was … willst du denn hier?“, fragte der Aradarit mit seiner tiefen, ruhigen, aber von deutlicher Irritation gezeichneten Stimme.
Feqzjian von Tuzak leckte sich über die Lippen und hob die Schultern an.
„Neferu hat gesagt ich soll mich entschuldigen. Ich weiß zwar eigentlich nicht wieso, schließlich hast du angefangen, aber: Entschuldigung. Nimmst du an?“, er grinste provokant, wie um den Inhalt seiner Worte zu unterstreichen.
Mit stoischer Ruhe auf den Zügen sah der Rondrit Feqzjian entgegen, dann blitze eine Bewegung durch den Leib Garions und zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage krachte eine geballte Faust in das Gesicht des Phexgeweihten. Er spürte, wie er rückwärts taumelte, gegen die Wand hinter sich stieß und wankend zum Stehen kam. Seine Nase schwoll sofort an und der vergehende Schmerz hinterließ ein unangenehmes Jucken. „Nein.“, ertönte es trocken aus Richtung der Tür, dann hörte er sie ins Schloss fallen.

Als der Geweihte Phexens aufsah, schoben sich zwei Bewaffnete in sein Blickfeld. Eine Stimme beschied: „Das wird euren Arrest um einen weiteren Tag verlängern, Knappe der Göttin! Darüber reden wir noch!“
Dann wandte Krieger mit dem graumelierten Kurzhaarschnitt wandte sich herum und deutete auf den Schwertgesellen, der sich noch immer die Nase hielt: „Und was euch angeht. Haltet euch von dem Knappen der Göttin fern! Ich habe wenig Lust, dass ihr immer wieder Ärger macht. Uluv! Geleitet den Herrn nach draußen …!“

Grangor 16 (Feqzjian)

Gewandt bahnte der junge Mann sich seinen Weg durch die dichtgedrängte Menge in den Straßen der Handelsmetropole Grangor. Er ärgerte sich über sich selbst. Er hatte Neferu zu früh über Phexjes Tod unterrichtet, hatte angenommen, sie würde zu ihm eilen und ihn trösten. Wie hätte er auch ahnen können, dass sie stattdessen sofort ihren Kurs ändern und nach einer Lösung suchen würde, die es nicht gab? Er ballte die Faust. Er hätte es wissen müssen, aber Trauer und Verzweiflung hatten sein Urteilsvermögen getrübt. Er hatte sich einfach nicht genug Zeit gelassen die Lage zu beurteilen und vorschnell gehandelt.
Jemand rempelte ihn an.
Mein guter Junge, junges Füchschen, halte mich nicht für ungerecht, aber ich weiß, dass es keine Möglichkeit gibt dich aus Borons Hallen zurück zu holen und sie sollte mir nicht fern sein, obwohl ihre Bemühungen keine Früchte tragen können, dachte er bei sich. Sicher, er vermisste Phexje, aber erstens war er ganz sicher durch die Pforten Alverans geschritten, hatte es dort gut und zweitens gab es keine Möglichkeit die Seele eines Verstorbenen zurück zu holen. Mit gerunzelter Stirn schob er einen feisten Händler zur Seite. Diese Leute waren eine Landplage, aber eine gut zahlende.

Er musste dringend zu dem zweiten Hochgeweihten der Stadt, zu seinem Stellvertreter, zu seinem besten Freund. Er brauchte jemanden, dem er sein Herz ausschütten konnte.
Schnell wich er eine Doppelpatrouille der Stadtgarde aus, die sich aufmerksam umsah und bog dann nach rechts, in Richtung der Schneiderei ab. Ein paar wenige Schritte trugen ihn zu dem bekannten Gesicht hinüber, ehe er sich hinab beugte und dem alten Freund auf die Schulter klopfte.
Kaum, dass dieser den Kopf gehoben und ihn mit einem Lächeln angesehen hatte, spürte auch Phexdan ein Klopfen auf seiner Schulter. Mit gerunzelter Stirn wandte er den Kopf zur Seite.
Wer bei allen zwölf Göttern konnte gerade jetzt etwas von ihm…?
Ein kräftiger Faustschlag traf ihn mitten ins Gesicht. Der Schmerz, der in seinem Kopf explodierte, riss seine Gedanken ein, ließ ihn taumeln. Wie im Reflex zog er seine Hände schützend vor die getroffene Nase. Er spürte eine warme Flüssigkeit über seine Hände fließen. Blut! Er blutete. Der Schlag hatte gesessen. Vorsichtig öffnete er die Augen und blinzelte sich die Tränen des Schmerzes aus den Augen, um den Angreifer sehen zu können.
Ein paar Bettler waren herbeigesprungen und hatten den Unhold gepackt. „Garion…?“, blinzelte der Phexgeweihte irritiert, als die Doppelpatrouille, die er vor ein paar Augenblicken noch passiert hatte den Bettlern ihre Last abnahm und den offenbar wütenden Rondriten mit sich schliff.
„Was bei den Niederhöllen war das denn…?“, fragte er halblaut und sah dem Verrückten nach, wie er von den beiden Gardisten durch die sich teilende Menge gezerrt wurde. Eine Stimme von der Seite riss ihn aus dem Starren: „Da fragst du noch? Er ist eifersüchtig, er hat sich in Neferu verguckt…nicht aufgefallen?“
Der Fechter sah zur Seite auf. Richard, der sonst so wortkarge Begleiter Neferus und Garions.
Rasch entwickelte sich ein Gespräch. Es schien, dass auch Richard, der dunkelhäute Schönling, nicht besonders viel Sympathie für den ach so tapferen Recken der Herrin Rondra empfand. Jedes Wort, das seinen Mund über Garion verließ, schmähte die Bedeutung des Ardariten für das Leben im Allgemeinen und das Richards im Speziellen. Eine Ansicht, die Phexdan, wie ihm seine schmerzende Nase anriet, nur zu gerne teilte. Eine kleine Abkühlung und eine verlängerte Haftstrafe konnten diesem Narren nur gut tun. Doch Richard brachte es auf den Punkt: „Sicher, verdient hätte er es ohne jeden Zweifel, aber zuerst solltest du dich vielleicht in die Obhut eines Heilers begeben, du siehst furchtbar aus.“ Phexdan seufzte, nickte dann aber. Ja, ein Heiler musste her, das bestätigte auch ein Blick auf seine rötlich verfärbten Hände.

Wenig später knackte es vernehmlich.
„Autsch!“, rief der Geweihte Phexens seinen reflexartigen Protest laut heraus. Dieser verdammte Heiler nahm einen beinahe ketzerischen Geldbetrag dafür ihm weitere Schmerzen zufügen zu dürfen, hatte ihm aber wenigstens versprochen, dass er keine bleibenden Schäden davontragen würde. Richard stand mit einem undeutbaren Grinsen zwei Schritt entfernt. Phexdan war bereit zu Richards Gunsten anzunehmen, dass ihm noch immer die Bilder Garions, wie er abgeführt wurde im Kopf umhergingen, als der alternde Heiler eine Art Druckverband auf seiner Nase befestigte.
„So mein Freund…“, begann er mit einem schmalen Lächeln. „Das wird eure Nase zwar heilen lassen, aber ihr solltet sie trotzdem für eine Weile nicht wieder zu tief in fremde Angelegenheiten stecken.“
Fremde Angelegenheiten? Was erdreistete dieser Kurpfuscher sich? Mal völlig davon abgesehen, dass seine Nase eher gesteckt wurde, als dass er selbst sie irgendwo hin gehalten hatte, war die Angelegenheit in der er sich diesen Schlag eingefangen hatte von höchstpersönlicher Natur! Was wusste dieser Quacksalber schon?!
Mit einem bestenfalls höflichen Wort des Abschieds verließ er gemeinsam mit Richard diesen vermaledeiten Metzger und schlug ohne ein weiteres Wort den Weg in Richtung der Wachstube ein. Er war zu dem Entschluss gekommen, den einmal gefassten Plan so rasch wie möglich umsetzen zu müssen um nicht im letzten Moment noch davon abzukommen. Niemand durfte ihm Neferu streitig machen wollen – schlimm genug, dass sie selbst ständig abwesend war. Das Letzte was er brauchen konnte, war ein strahlender Ritter, der ihm seine große Liebe streitig machen wollte!

Mit Richard im Schlepptau bog er nach links, dann wieder nach rechts ab und stand endlich vor dem Bau, der das Hauptquartier der Zweililiengarde beherbergte.
„Warte hier, das mache ich besser alleine.“, raunte er Richard wortkarg zu, ehe er eine Leidensmiene aufsetzte und die ausgetretenen Stufen mit zwei langen Schritten hinter sich brachte.
Im Innern der Wache war es kühler als draußen und für einen Moment fröstelte er. Dann aber besann er sich auf sein Vorhaben und trat mit einem langgestreckten Seufzer an den Tresen, der hier zum Empfang diente.
Ein kurzer Blick des Gardisten reichte um dem Neuankömmling in den durchaus teuren Kleidern seine volle Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn sich jemand wie dieser feine Herr persönlich in die Wache bemühte, dann musste sein Anliegen von nicht geringer Wichtigkeit sein.
„Herr Gardist!“, näselte der Geweihte mit falschen Tränen in den Augen aufgeregt. „Hier ist doch heute ein Rondrit verhaftet worden, wegen des Übergriffes auf seinen unbescholtenen Bürger nicht wahr?!“, ohne eine Antwort abzuwarten fuhr er fort, die Frage war rhetorischer Natur gewesen. Mit ausladender Gestik deutete er auf seine verbundene Nase. „Seht nur, was er angerichtet hat! Ich bin nicht nur Schausteller, nein, ich führe auch wichtige Gespräche für das Handelsunternehmen meines Onkels. Aber mit dieser Nase…Nein, nein! Mit dieser Nase kann ich keiner meiner Berufungen nachkommen. Die Geschäftspartner meines Onkels würden sich doch über diesen vertrimmten Hallodri wundern, der ihnen als Gesandter geschickt wird. Ich wünsche…Nein…Ich fordere, dass dieser Mann auf das härteste bestraft wird! Immerhin soll er für meinen nicht geringen Verdienstausfall Buße tun!“, gerade so gelang es ihm ein belustigtes Grinsen zu unterdrücken. Nur nicht im letzten Moment noch alles ruinieren. Ein rascher Blick zeigte ihm, dass seine Posse bereits Wirkung zeigte. Der Gardist sah durchaus verärgert aus. Dann ereiferte er sich ihm zu versichern, dass man das höchstmögliche Strafmaß, also eine Woche Kerkerhaft ansetzen wolle um diese Straftat zu ahnden.
Als Phexdan wieder auf die Straße hinaustrat war er durchaus zufrieden mit sich und zwinkerte Richard zu.
„Was hältst du davon, wenn wir einen Tee trinken gehen?“, sein Blick glitt über das nachdenkliche Gesicht des jungen Mannes. „Nur wenn du zahlst.“, antwortete dieser.

Mit einem kurzen Lächeln stimmte er zu. So günstig kam man selten an Informationen, die einen wirklich brennend interessierten. Richard musste eine Menge über Neferu zu berichten haben, vielleicht wusste er sogar wo sie sich derzeit aufhielt!
Das nächste Teehaus lag drei Straßen weiter auf der rechten Seite. Ein niedriger Bau mit offener Front, ein wirklich gemütliches Fleckchen Deres. Die beiden bestellten Tees waren schnell gebracht, das Gespräch rasch entflammt. Zu seiner Enttäuschung musste Phexdan jedoch schnell feststellen, dass Richard ebenso wie er absolut keine Ahnung hatte, wo die schöne Dunkelhaarige, mit den tulamidisch anmutenden Augen sein mochte. Wenigstens konnte er mit einigem Wissenswerte über die Holde selbst aufwarten, das war besser als nichts und den Preis für den Tee allemal wert.
Gerade hob er die tönerne Tasse wieder an seine Lippen, als ein bunt gekleideter Gaukler in das Teehaus stürmte und sich rasch zu ihm hinab beugte um ihm etwas ins Ohr zu flüstern:“Phexje…Er…Er lebt…im Tempel.“ Phexdan riss die Augen auf und spuckte den Tee in die Tasse zurück, ehe er dem Mann einen erschrockenen Blick zuwarf. „Richard! Los komm mit!“, brachte er noch über die Lippen, ehe er in einen raschen Lauf verfiel, bei dem er sich nicht sicher war ob Richard würde mithalten können.

Phexje lebte? Hatte Neferu Recht behalten? Hatte er eine Möglichkeit übersehen eine Seele aus den Hallen des stillen Gottes zurück zu rufen? War es richtig das zu tun? War all das wichtig?
Rasch sprang er über einen Marktkarren hinweg, dessen Besitzer ihm etwas hinterherrief, das er nicht verstand. Seine Lungen begannen zu brennen, als er durch die kleine Tür in der Umfriedung des Gartens des Efferdtempels hechtete und auf die kleine Hintertür des Bauwerks zuhielt.
In dem plötzlichen Zwielicht der großen Tempelanlage erblindete er einen Moment, lief aber nichtsdestotrotz weiter. Er war oft hier gewesen, hatte den Weg auswendig gelernt, fand ihn im Schlaf. Ob Richard ihm würde folgen können, ob er überhaupt noch hinter ihm war, war zweitrangig. Er musste mit eigenen Augen sehen, was der Mann ihm berichtet hatte.
Hinter einer Ecke bog er scharf in eine dunkle Nische ab und riss die dort verborgene Falltür auf um – die Leiter missachtend – einfach direkt in das Dunkel zu springen und seinen Weg dann auf dem schnellsten Weg fortzusetzen. Ohne langsamer zu werden durchquerte er die noch im Bau befindliche Haupthalle des Phextempels und hielt auf die Tür gegenüber zu, vor der sich einige Neugierige versammelt hatten.
Vor dem Holz der stabilen, geschlossenen Tür hielt er inne als sei er gegen eine unsichtbare Barriere gestoßen. Was, wenn die Nachricht falsch gewesen war? Was wenn der Junge nur für einige letzte Worte aus den Hallen des dunklen Gottes zurückgekehrt und längst wieder gestorben war?
Er konnte einfach nicht gleich hinein! Rasch sah er sich um. Richard!

Schnell griff er zu und schob den Halunken vor sich her auf die Tür zu. „Geh du zuerst! Ich trau mich nicht!“, gab er ihm mit auf den Weg, ehe er ihm einen letzten Schubs gab und ihn durch die Türöffnung in den Raum verschwinden sah.
Zwei…Vielleicht drei Sekunden ertrug er die folgende Stille, dann schlich er sich wie eine Grabräuber in die Kammer mit dem ersehnten Schatz durch die Tür und lugte über Richards Schulter. Tatsächlich. Auf dem Bett lag der Junge und sah sich verwirrt in dem Raum um. Neferu hatte es wirklich geschafft, der Junge war wieder unter den Lebenden und erfreute sich – zumindest dem Anschein nach – bester Gesundheit.
Sein Blick glitt zu den anderen Anwesenden. Außer ihm, Richard und Phexje waren nur noch zwei andere Personen im Raum. Einerseits ein Geweihter des Fuchses und andererseits ein äußerst griesgrämig anmutender Geweihter des Totengottes, dessen schwarze Robe die Würde seines hohen Amtes unterstrich. Seine langen, bleichen Finger tasteten den Jungen ab, der den Boroni mit äußerster Skepsis und stets bereitem Holzfuchs beäugte.
„Phexje!“, brach es endlich aus Phexdan hervor, als er Richard zur Seite schob und auf das Bett zustürmte.
„PSCHT!“, entkam es der schwarzen Robe, die in ihren Tiefen ganz sicher irgendwo einen Geweihten beherbergen musste.
Doch in diesem Moment konnte er keine Ruhe zeigen. Sein längst tot geglaubter, kleiner Bruder war zurück. Neferus Künste und ihre Gerissenheit wollte er in einem Gesang vor Phex loben. Der Anblick des missmutigen Boronis ließ ihn davon absehen – vorerst.
Er drückte den Jungen an sich. Er war wahrhaftig zurück!
Erst nach Minuten entließ er den Jungen aus seiner Umarmung. Als hätte er auf diesen Moment gewartet beugte der Diener des Rabengottes sich vor und zog aus dem weiten Ärmel seiner Robe eine Kette mit Amulett hervor, um sie dem Jungen umzulegen, eher er mit einer erstaunlichen Gewandtheit dem Angriff eines Holzfuchses auswich und dem offensichtlichen Unwillen des kleinen Jungen nachgab. „Lasst ihm seine Ruhe, er wird sie brauchen, so wie sie jeder Mensch tief in seinem Innern braucht.“, ließ er flüsternd verlauten und scheuchte die Anwesenden mit knappen Gesten aus dem Raum.
Phexdan winkte dem Jungen ein letztes Mal zu und ließ sich dann von dem schwarz Bekutteten hinausschieben. Das…Bedurfte einer Feier!
„Richard! Ich lade dich ein. Wir trinken auf Neferu!“, rief er auf dem Weg hinaus in den umfriedeten Garten des Efferdtempels und schlug sogleich den Weg in Richtung der nächstbesten Taverne ein.
Wie es zu erwarten war, folgte Richard seiner Einladung ohne zu zögern. Ein breites Grinsen legte sich auf die Miene des jungen…Ja…des jungen was eigentlich? Phexdan hob die Schultern. Was scherte es ihn? Die Frau, in die er sich verliebt hatte stand im Bund mit den Göttern und hatte seinen kleinen Bruder zurück geholt! In den nächsten Tagen würde sie an seine Seite zurückkehren und das Leben wäre perfekt!
„Wirt! Macht mir das zu Alkohol! Es gibt etwas zu feiern!“, mit einer geschickten Handbewegung warf er dem Mann hinter dem Tresen einen Beutel mit 15 Dukaten hin.

Der Abend verging rasch. Die 15 Dukaten waren mehr als gut angelegt gewesen. Phexdan und Richard hatten um die Wette getrunken, immer wieder auf Phexje oder Neferu angestoßen und sich gegenseitig mit Lobeshymnen zu übertrumpfen versucht.
Plötzlich aber wurde Richard ernst: „Wasch glaubse war der Preisch, den se zahlen musste, hm?“, lallte er ihm entgegen. „Meinse sie hat ihre S- *hicks* Seele eingetauscht? Also…seine gegen ihre?“
Phexdan musste schlucken. Neferu tot? Für Phexje? Der Nebel um sein Hirn wusste Rat. Er musste nur mehr trinken um diesen Gedanken zu vertreiben. Er brauchte mehr Alkohol!
Fahrig fingerte er an dem Beutel an seinem Gürtel herum, den er dabei beinahe öffnete und warf ihn dann dem Wirt zu, wobei er knappe zwei Schritt zu weit nach rechts zielte. „Machma noch mehr!“, entkam es ihm mit schwerer Zunge. Neferu war nichts passiert! Niemals hätte sie sich einfach so aus seinem Leben entfernt! Ein letztes Mal spürte er den Alkohol in seiner Kehle brennen, dann begann die Welt sich in atemberaubender Geschwindigkeit um ihn herum zu drehen, ehe ihm schwarz vor Augen wurde.

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